Achtung der Menschen und ihrer Güter

Achtung der Menschen und ihrer Güter

Auf wirtschaftlichen Gebiet erfordert die Achtung der Menschenwürde die Tugend der Mäßigung, um die Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt zu zügeln; die Tugend der Gerechtigkeit, um die Rechte des Nächsten zu wahren und ihm zu geben, was ihm zusteht; und die Solidarität gemäß der Goldenen Regel und der Freigebigkeit des Herrn, denn „er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Achtung fremden Gutes Das Siebte Gebot untersagt den Diebstahl, der darin besteht, dass man sich fremden Gut gegen den vernünftigen Willen des Besitzers widerrechtlich aneignet. Kein Diebstahl ist es, wenn man das Einverständnis des Besitzers voraussetzen kann, oder wenn seine Weigerung der Vernunft oder der Bestimmung der Güter für alle widerspricht. So wenn in äußerster und offensichtlich Notlage die Aneignung und der Gebrauch fremden Gutes das einzige Mittel ist, um unmittelbare Grundbedürfnisse (wir Nahrung, Unterkunft und Kleidung) zu befriedigen. Sich fremdes Gut auf welche Weise auch immer ungerecht anzueignen oder es zu behalten, ist selbst dann, wenn dabei den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzes nicht zuwidergehandelt wird, ein Verstoß gegen das siebte Gebot. Das gleiche gilt vom bewussten Zurückbehalten entliehener Sachen oder von Fundgegenständen, vom Betrug im Handel, von der Zahlung ungerechter Löhne und dem Hochtreiben von Preisen unter Ausnützung der Unwissenheit oder der Notlage der anderen. Ebenfalls sittlich verwerflich sind Spekulation, durch die man Preise für Güter künstlich steigert oder senkt, um daraus zum Schaden anderer Gewinn zu ziehen; Korruption, durch die man Verantwortliche dazu verführt, entgegen den Rechtsbestimmungen zu entscheiden; Aneignung und private Verwendung des Gesellschaftseigentums eines Unternehmens; schlechte Ausführung von Arbeiten, Steuerhinterziehung, Fälschung von Schecks und Rechnungen, überhöhte Ausgaben und Verschwendung. Privates oder öffentliches Eigentum mutwillig zu beschädigen verstößt gegen das moralische Gesetz und verlangt Wiedergutmachung. Versprechen und Verträge müssen gewissenhaft gehalten werden, soweit die eingegangene Verpflichtung sittlich gerecht ist. Das Wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben hängt zu einem großen Teil davon ab, dass man sich an die, Verträge zwischen physischen oder moralischen Personen hält: an Verkauf- oder Kaufverträge. Miet oder Arbeitsverträge. Jeder Vertrag ist guten Glaubens abzuschließen und auszuführen. Verträge unterstehen der ausgleichenden Gerechtigkeit, die den Austausch zwischen Personen unter genauer Beachtung ihrer Rechte regelt. Die ausgleichende Gerechtigkeit ist streng verpflichtend. Sie fordert, dass man Eigentumsrechte wahrt, Schulden zurückzahlt und sich an freiwillig eingegangenen Verpflichtungen hält. Ohne ausgleichende Gerechtigkeit ist keine andere Form der Gerechtigkeit möglich. Man unterscheidet ausgleichende [kommutative] von legaler Gerechtigkeit, die das betrifft, was der Bürger gerechterweise der Gemeinschaft schuldet, und von austeilender [distributiver] Gerechtigkeit, die regelt, was die Gemeinschaft den Bürgern im Verhältnis zu deren Beiträgen und Bedürfnissen schuldet. Im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit fordert die Verpflichtung zur Wiedergutmachung einer begangenen Ungerechtigkeit, dass man das entwendete Gut dem Eigentümer zurückgibt. Jesus lobt Zachäus für sein Versprechen: „Wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück“ (Lk 19,8). Wer sich direkt oder indirekt fremdes Gut angeeignet hat, ist verpflichtet, es zurückzugeben oder, falls es nicht mehr vorhanden ist, den Gegenwert bar oder in Naturalien zurückzahlen sowie die Zinsen und den Nutzen zu vergüten, die sein Eigentümer rechtmäßig daraus genommen hätte. Wer in irgendeinerweise an einem Diebstahl beteiligt war oder in dessen Kenntnis daraus Nutzen gezogen hat, z.B. wer ihn befohlen oder daran mitgewirkt oder ihn gedeckt hat, ist entsprechend seiner Verantwortung und seinem Profit ebenfalls zur Wiedergutmachung verpflichtet. Glücksspiele (wie Kartenspiele) oder Wetten verstoßen an und für sich nicht gegen die Gerechtigkeit. Sie werden jedoch dann sittlich unzulässig, wenn sie jemand um das bringen, was er zu seinem und anderer Menschen Lebensunterhalt braucht. Die Spielleidenschaft droht den Spieler zu versklaven. Eine Ungerechte Wette abzuschließen oder beim Spiel zu betrügen ist schwerwiegend, außer wenn der zugefügte Schaden so gering ist, daß der Geschädigte ihn vernünftigerweise nicht ernst nehmen kann. Das siebte Gebot verbietet Handlungen oder Unternehmungen, die aus irgendeinem Grund – aus Egoismus, wegen einer Ideologie, aus Profitsucht oder in totalitärer Gesinnung – dazu führen, dass Menschen geknechtet, ihrer persönlichen Würde beraubt oder wie waren gekauft, verkauft oder ausgetauscht werden. Es ist eine Sünde gegen ihre Menschenwürde und ihre Grundrechte, sie gewaltsam zur bloßen Gebrauchsware oder zur Quelle des Profits zu machen. Der hl. Paulus befahl einem christlichen Herrn, seinen christlichen Sklaven „nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder“ zu behandeln (Phlm 16). Quelle: Katechismus der Katholischen Kirche – Oldenbourg – Benno – Paulusverlag – Veritas (Seite 607)