Anerkennung von Wundern


Es stellt sich uns mithin die Frage, ob sich die Verheißung Jesu, Wunderzeichen werden den Gang seiner Stiftung durch die Zeit begleiten, erfüllt hat. Heute ist eine Pauschalverurteilung aller mittelalterlichen Berichte über Wunderheilungen als Legenden einer wundersüchtigen und kritiklosen Zeit. Dazu bedarf es einer Richtigstellung. Für Kanonisationen, das heißt für Selig- und Heiligsprechungen fordert die Kirche zumeist eine Bestätigung durch Wunderheilungen. Dabei wurden auch im Mittelalter die Zeugen unter Eid vernommen. Wer sich die damals gebräuchlichen Eidesformeln ansieht, erkennt auch an ihnen, wie ernst man es schon damals mit der Wahrheit genommen hat.
Als Beispiel eines Eides, wie er regelmäßig den Zeugen in einem Kanonisationsverfahren abverlangt wurde und heute noch in ähnlicher Weise üblich ist, zitiert Wilhelm Schamoni in seinem Dokumentarwerk „Wunder sind Tatsachen“ aus Heiligsprechungsakten übersetzt, „was im Jahre 1307 die Zeugen im Prozeß des hl. Thomas von Cantelup, Bischof von Hereford in England, schworen, nämlich daß sie, über alles die ganze, volle, reine, lautere und einfache Wahrheit sagen würden, die sie wüssten oder glaubten oder gehört hätten, daß sie nicht aus persönlicher Zuneigung und Begünstigung oder aus freundschaftlichen oder wegen eines persönlichen Vorteil, den sie selbst oder durch andere schon erlang hätten, erlangen würden oder zu erlangen hofften, oder aus Furcht oder aus Hass etwas verschweigen würden, und daß sie nicht betrügerisch etwas Falsches einflechten oder etwas Wahres unterschlagen würden und daß sie nicht aus Eigenem etwas hinzufügen würden und daß sie über ihre Aussagen mit niemand sprechen würden bis zur Veröffentlichung des Urteils der Kirche“ (Acta Sanctorum, Oct. I, Antverpiae 1746, S. 588, Nr. 268f).

Quelle: Wunder: Bedeutung und Wirklichkeit – Georg Siegmund – Christiana –Verlag, Stein am Rhein