Auf dem Weg
Vielleicht ist das Bild vom Weg das wichtigste symbolische Zeichen für den Verlauf unseres Lebens. Wir sprechen ja vom „Lebensweg“, weil wir im Grunde immer unterwegs sind, Beweglichkeit brauchen, manchmal auch eine etwas problematische Vergangenheit haben, dann möglicherweise vom Wege abkommen oder in eine ausweglose Situation geraten. Wir sind froh über Weg und Steg, müssen auch immer wieder weggehen, befinden uns auf Suchbewegungen, hoffen auf Zugänge, Eingänge und Übergänge, oft genug sind Umwege in Kauf zu nehmen, wir hoffen, dass wir Weggefährten finden und dass uns jemand beisteht, wenn wir einen Ausweg aus der Sackgasse nötig haben. Wenn wir etwas über unser Leben erzählen sollen, dann zeichnen wir unsere Wege nach, die Stationen unserer persönlichen Geschichte, mit all den Verirrungen und dem Finde-Glück, das uns widerfahren ist. Und wenn wir auch sesshaft geworden sind, so erinnern wir uns doch mit Vorliebe an unsere Reisen und Wanderungen, an die Abenteuer des Unterwegs-Seins. Und manchmal ragen wir uns vielleicht, ob die Wege unseres persönlichen Weges uns dazu geholfen haben, die eigene Identität zu finden, das, was uns von allen anderen unterscheidet. Man kann sich ja auch selbst davonlaufen, in blinde Betriebsamkeit geraten, um nur ja nicht auf den Weg zu kommen, der für uns der richtige ist, der zu unserer Wahrheit gehört. Weg, Reise, Wanderung, das sind Bilder für die nötigen Wandlungen, die auch zu unserem Leben gehören. Wir durchlaufen ja immer Prozesse eines Gestaltwandels, können nicht die Alten bleiben und wissen nicht, auf uns zukommt. Das Abschiedhafte gehört ebenso zu unserem Leben wie die Neigung, an einem Ort zu verharren. Und sind es nicht die Wegkehren, die Entscheidungssituationen, die sich am folgenreichsten für unser Schicksal auswirken? Ob wir die wichtigsten Augenblicke im Leben erkannt haben oder ob wir dafür blind waren und einfach weitergetappt sind, das wird sich erst zu einer späteren Zeit zeigen. Es ist auffällig, dass in unseren Tagen das Wallfahren wieder entdeckt wird. Viele – auch junge – Menschen, möchten einen weiten Weg gehen, auf Annehmlichkeiten verzichten, sich der Hitze und Kälte aussetzen und ihre eigenen Kräfte ausloten. Allzu große Sesshaftigkeit scheint problematisch zu sein. „Wir haben hier keine bleibende Stätte“, heißt es im Hirtenbrief (13, 14). Von Jesus wissen wir, dass er in der Zeit seiner öffentlichen Tätigkeit immer unterwegs war. Und wenn er gesagt hat: „Die Vögel haben ihre Nester und die Füchse ihre Höhlen, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mathäus 8, 20), dann wollte er nicht über sein Schicksal jammern, sondern seine Lebensform verdeutlichen. Alfons Rosenberg hat deshalb ganz treffend gesagt: „Will man erfahren, was er wissen wollte, muss man den festen Standort aufgeben und mit ihm wandern – denn seine Weisheit ist keine ersessene, sondern eine erwanderte.“ Und wenn Jesus sich selbst in einem Deutewort vorstellen wollte, hat er es nicht gesagt: „Ich bin die Ruhebank und der Rückzugsort“, sondern: „Ich bin der Weg“ (Johannes 14, 6). Sprachforscher machen uns darauf aufmerksam, das unser Wort „Sinn“ etymologisch mit Weg, Reise, Bewegung zusammenhängt. Um den Sinn unsres Lebens zu finden, muss man sich „auf den Weg“ machen, muss die Welt kennenlernen, sich „vom Sinnstrahl der Dinge“ treffen lassen, wie Romano Guardini gesagt hat. Der Weg ist zwar nicht das Ziel, wer sich aber nicht auf den Weg macht, wie kann der „erfahren“ werden und zum Ziel gelangen? Quelle: Wo das Herz zu Hause ist – Quellen innerer Kraft – Unterwegs nach Hause – Hrsg.: Ulric Sander – Herder-Verlag – Freibur, Basel, WienHelfen Sie uns mit einer Spende, die Andacht zu Muttergottes in Deutschland zu verbreiten.
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