Das Herz Jesu, für uns geopfert am Kreuz
Diese Tat ist keine Ideologie, sondern unsere menschliche
Wirklichkeit. Hier wird die Tiefe nicht durch oberflächliche Patentrezepte von
von Systemverbesserern eingeebnet, hier wird die Entfernung des Menschen nicht
durch den Klassenkampf aufgehoben, der die Schuld stets beim andern sucht,
sondern hier wird die Wurzel getroffen, jene Nahtstelle, wo der Schöpfer des
Alls sein Geschöpf berührt: das eigene Herz, das eigene Fleisch in der
demütigen Unterwerfung vor Gott, die uns Menschen (ach!) so schwer zu fallen
scheint.
Die Mitte des Menschen ist sein Herz. Und die Mitte des
Herzens Jesus ruht immer in vollem JA zum Willen des Vaters. - Er ist der ewige
Sohn,ausgegangen vom Vater. Er verließ seine glanzvolle Herrlichkeit und nahm
die Gestalt des Knechtes an, wie ihn Jesaja in seinen Liedern beschreibt. Er ist
gehorsam geworden bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz. Aus dieser
überschreitenden Liebe wächst wie von selbst auch das völlige JA zum Menschen,
dem Bruder und der Schwester.
Dieses JA bedeutet Liebe. Dieses JA der Hingabe ist Liebe.
Der Soldat, der den Leib Jesu durchstieß und das Herz öffnete, wusste nicht,
dass hier einer ist, der sterbend sein Herz hingegeben und für alle verpfändet
hat. Jesus hängt am Holz des Kreuzes zwischen Himmel und Erde, seine Arme
ausbreitend wie eine Weisung an die Kontinente, Sprachen und Völker. Die
Menschliche Tiefe leuchtet in ursprünglichem Licht aus dem Angesicht des Toten
Johannes, der Sehende, wird hineinrufen in die Weite der Jahrhunderte: „Sie
schauen auf den, den sie durchbohrt haben.“
Lange bin ich am Kreuze gestanden, dann schreite ich weiter,
zurück zu den andern, die jenseits des Hügels auf mich warten. Ich weiß nun
sehr deutlich, dass das Kreuz unzerstörbar ist. Mochten die Winde ein hölzernes
Kreuz, das da schon halb zerstört in der Landschaft steht, zu Fall bringen.
Sollten auch dessen Balken vermodern und der hölzerne Korpus unter der Erde
verscharrt werden. Kämpfte auch ein menschenmordendes Geschlecht den Kampf
gegen Gott in Systemen, polizeilichen und richterlichen Gewaltakten. Mieden
auch die Parlamente der Völker das Wort von Gott wie einen üblen
Mundgeruch, sie alle kommen dennoch von
Gott nicht los. Die Brutalität und Grausamkeit steigt bis zum hellen Wahnsinn
und die im Feuer brennende Städte sind nur der Widerschein der verwüsteten und
der zerstörten Seelen, die sie in sich gemordet haben.
Ihre Söhne und Töchter, die diese menschliche Tragödie des
Abfalls bis zum Äußersten Übel erleben mussten, werden einst demütig ihre Knie
beugen und bekennen: „Dein Wort ist wahr, o Herr, Deine Gerichte sind gerecht.“
Sie werden vor dem Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt, ihre Knie
beugen, es hoch preisen und tief verehren. Sie werden es loben im Lied der Geheimen
Offenbarung:
„Würdig bist Du,
das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen;
denn du wurdest geschlachtet
und hast mit deinem Blut
Menschen für Gott erworben
aus allen Stämmen und Sprachen,
aus allen Nationen und Völkern,
und du hast sie für unseren Gott
zu Königen und zu Priestern gemach.
Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde,
Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit,
Kraft und Ehre und Herrlichkeit
und Macht in alle Ewigkeit.
Amen!“
Sie, die die Tragödie durchlitten haben, werden Kreuze über
die Landschaft und die Fluren setzen. Sie werden Blumen bringen. Frauen und
Mütter kommen mit ihren Kindern wieder dorthin, damit der Gekreuzigte die
Kleinen segne. Jünglinge und Jungfrauen werden im Angesicht des Kreuzes lernen,
was Liebe und Reinheit heißt. Eheleute werden um die Gnade der treue bitten.
Männer werden sich demütigen und mit entblößtem Haupt und gebeugten Knien den
Herrn bitten, dem Land seine Furcht zu verleihen. Die Alten aber werden vom
Kreuz die letzte Vollendung erwarten. Denn vom Kreuz, an dem der eingeborene
Sohn Gottes gelitten hat, kommt Heil und Erlösung. Von ihm allein. Denn so
singen wir am Karfreitag: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist
Hoffnung!“
Da schreite ich vorüber. Zwar brennt mein Inneres in den
apokalyptischen Bildern der Gegenwart. Aber am Horizont des Weges hinter den
Feuern der Sturmeswolken zieht schon herauf der neue Tag tiefen Glaubens einer
anderen Generation
Quelle: Pilgerfahrt nach
Fatima – 1967 – P. OTTO MAIER SJM. - SJM-Verlag – Neusäß
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