„Das Kreuz, der Baum des Lebens“

Mitten im Paradies stand ein Baum. Die Schlange benutzte ihn dazu, unsere Stammeltern zu betrügen. Nehmt einmal diese erstaunliche Tatsache zur Kenntnis: da bedient sich die Schlange, um den Menschen hinters Licht zu führen, eines Gefühls, das zu seiner Natur gehört. Als der Herr den Menschen formte, pflanzte er ihm nämlich zusammen mit einem allgemeinen Wissen vom Universum die Sehnsucht nach Gott ein. Sobald der Teufel diese glühende Sehnsucht wahrgenommen hatte, sagte er zum Menschen: „Ihr werdet wie Gott (Gen 3,5). Jetzt seid ihr nur Menschen, und ihr könnt nicht immer mit Gott sein; wenn ihr aber wie Gott werdet, werdet ihr immer mit ihm sein“ [...] Es ist also das Begehren, Gott gleich zu sein, das die Frau verführt hat... sie aß und brachte den Mann dazu, es ihr gleichzutun. Nach dem Sündenfall nun hörte Adam die Stimme des Herrn, der gegen Abend im Paradies umherging (Gen 3,8) [...] Gepriesen sei der Gott der Heiligen dafür, dass er Adam, als dieser Abend hereinbrach, besucht hat. Und dafür, dass er ihn zu dieser Zeit auch jetzt noch besucht – am Kreuz. Denn der Herr durchlitt seine Passion eben zu der Stunde, in der Adam aß, in der Zeit zwischen der sechsten und neunten Stunde, die Zeit, die gekennzeichnet ist durch Fehltritt und Gericht. In der sechsten Stunde aß Adam und folgte damit der Natur; dann verbarg er sich. Und gegen Abend kam Gott zu ihm. Adam hatte Gott werden wollen: er hatte Unmögliches begehrt. Christus hat dieses Begehren erfüllt. Er sagte: „Du wolltest etwas werden, was du nicht sein konntest; ich aber will Mensch werden, und ich kann es. Gott macht genau das Gegenteil dessen, was du gemacht hast, als du dich verführen ließest. Du hast begehrt, was über dir war; ich jedoch nehme, was unter mir ist. Ich freilich möchte den Menschen gleich sein [...] Du wolltest Gott werden und konntest es nicht; ich aber werde Mensch, um das möglich zu machen, was unmöglich war.“ Ja, das ist es, wozu Gott gekommen ist. Er bezeugt seinen Aposteln: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, dieses Paschamahl mit euch zu essen“ (Lk 22,15) [...] Er ist gegen Abend einhergeschritten und hat gerufen: „Adam, wo bist du?“ (Gen 3,9) [...] Der, der gekommen ist um zu leiden, ist derselbe wie der, der ins Paradies herabgekommen ist. Severianos von Gabala (?-um 408), Bischof in Syrien Homelie über die Erschaffung der Welt EVANGELIUM TAG FÜR TAG 25 März 2016 Karfreitag