Das Vaterunser, das Gebet des Herrn - II
Wenn wir dieses bewunderungswürdige Gebet verrichten, gewinnen wir zuallererst das Herz Gottes, indem wir ihn mir dem süßen Namen Vater anrufen: Vater unser, du, der zärtlichste aller Väter, allmächtig in der Schöpfung, ganz bewunderungswürdig in der Erhaltung, ganz liebenswürdig in der Vorsehung, ganz gütig, unendlich gut in der Erlösung. Gott ist unser Vater, wir alle sind Brüder, der Himmel ist unsere Heimat, unser Erbe. Ist das nicht genug, um uns zugleich die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten und Losschälung von allen irdischen Dingen einzuflößen? Lieben wird also einen solchen Vater und sagen wir ihm tausend- und abertausendmal: Vater unser, der du bist in dem Himmel. Der du den Himmel und die Erde durch die Unermeßlichkeit deines Wesens erfüllst, allgegenwärtig, der du in den Heiligen bist mit deiner Herrlichkeit, in den Verdammten mit deiner Gerechtigkeit, in den Gerechten durch deine Gnade, in den Sündern durch deine Geduld, mit der du si erträgst, bewirke, daß wir uns immer unseres himmlischen Ursprungs erinnern, immer als deine wahren Kinder leben, und daß wir mit aller Glut unserer Wünsche nach dir hinstreben. Geheiligt werde dein Name. „Der Name des Herrn ist heilig und fruchtbar“, sagt der königliche Prophet (Ps 110,9), und nach Isaias widerhallt der Himmel vom Lobe, das die Seraphim der Heiligkeit des Herrn der Heerscharen unaufhörlich darbringen (Is 6,2-4). In dieser Bitte verlangen wir, daß die ganze Erde die Eigenschaften des so großen und so heiligen Gottes erkenne und anbete: daß er erkannt, geliebt und angebetet werde von den Heiden, Türken, Juden, Barbaren und allen Ungläubigen, daß alle Menschen ihm dienen und ihn verherrlichen durch lebendigen Glauben, feste Hoffnung, feurige Liebe und durch die Abwendung von allem Irrtum: mit einem Worte, daß alle Menschen heilig seien, weil er selbst heilig ist. Zu uns komme dein Reich. Mögest du in diesem Leben durch deine Gnade in unseren Seelen herrschen, damit wir verdienen, nach unserem Tode mit dir in deinem Reiche zu herrschen, denn das ist die höchste und ewige Glückseligkeit, an die wir glauben, auf die wir hoffen, und die wir erwarten, jene Glückseligkeit, die ins durch die Güte des Vaters versprochen, durch die Verdienste des Sohnes erworben, und durch das Licht des Heiligen Geistes geoffenbart worden ist. Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden. Ohne Zweifel kann ich nichts den Absichten der göttlichen Vorsehung entziehen, die alles vorausgesehen, alles schon vor dem Eintreffen angeordnet hat; nichts kann sie von dem Ziele abbringen, das sie sich gesetzt. Wenn wir daher Gott bitten, daß sein Wille geschehe, so tun wir das nicht, sagt Tertullian, weil wir fürchten, es könnte sich jemand der Ausführung seiner Ansichten wirksam widersetzen, sondern weil wir uns demütig allen seinen Anordnungen unterwerfen wollen, so dass wir immer und in allem seinen heiligen Willen, der uns aus seinen Geboten bekannt ist, mit jener Bereitwilligkeit, Liebe und Barmherzigkeit erfüllen, mit welcher ihm die Engel und Heiligen im Himmel gehorchen. Unser tägliches Brot gib uns heute. Jesus Christus lehrt uns, Gott um alles zu bitten, was uns für das Leben des Leibes und der Seele notwendig ist. Durch diese Worte des Vaterunsers legen wir das demütige Geständnis unseres Elends ab und ehren die göttliche Vorsehung, indem wir erklären, daß wir glauben, von Gottes Güte alle unsere zeitlichen Güter zu erhalten. Mit dem Worte Brot bitten wir für heute, d.h. wir beschränken all unsere Sorge auf den heutigen Tag und überlassen uns für den morgigen der Vorsehung (Mt 6,25/34). Wir bitten um das tägliche Brot und gestehen dadurch, daß unsere Bedürfnisse täglich wiederkehren und bezeugen so unsere fortwährende Abhängigkeit vom Schutze und der Hilfe Gottes. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Unsere Sünden, sagen der heilige Augustinus und Tertullian, sind ebenso viele Schulden, die wir uns Gott gegenüber aufladen, und seine Gerechtigkeit fordert die Bezahlung bis auf den letzten Heller. Wir alles haben diese traurigen Schulden. Trotz der großen Zeit unserer Sünden wollen wir uns also vertrauensvoll ihm nahen und mit wahrer Reue zu ihm sprechen: Vater unser, der du bist in dem Himmel, verzeihe uns die Sünden unseres Herzens und der Zunge, die Sünden, die iwr durch Tat oder durch Unterlassung des Guten begangen haben und die uns in den Augen deiner Gerechtigkeit unendlich schuldbar machen. Als Kinder eines gütigen und barmherzigen Vaters verzeihen auch wir aus Gehorsam und Liebe denen, die uns beleidigt haben. Und führe uns nicht in Versuchung. Gestatte nicht, daß wir wegen unserer Untreue gegen deine Gnaden den Versuchungen der Welt, des Teufels und des Fleisches unterliegen. Sondern erlöse uns von dem Übel, nämlich der Sünde, von dem Übel der zeitlichen und ewigen Strafen, die wir verdient haben.AMEN! Ein trostreiches Wort, wie der heilige Hieronymus sagt, welches gleichsam das Siegel ist, das Gott an den Schluss unserer Bittschriften setzt, um uns zu Versichern, daß er uns erhört hat. Es ist, als wenn Gott selbst sagte: Amen! Wie ihr gebeten, so soll es geschehen, ihr habt es in Wahrheit empfangen, denn das ist die Bedeutung des Wortes Amen.
Quelle: Der heilige Rosenkranz – Hl. Ludwig Maria Grignion von Monfort – Das Wunderbare Geheimnis der Bekehrung und des Heiles – Seiten 49 bis 54.Helfen Sie uns mit einer Spende, die Andacht zu Muttergottes in Deutschland zu verbreiten.
Wir brauchen Ihre Hilfe!
Ihre Spende hilft uns dabei, unsere Website am Laufen zu halten. Nur hier können wir unsere Botschaft ohne Zensur verbreiten.