„Den Du, o Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast.“

In die Kammer der Jungfrau tritt ein Engel. - Erschreckendes Leuchten jenseits unserer Fassungskraft. - Vor dem Mädchen steht ein Bote, der von der Herrlichkeit des ewigen Gottes kommt. Vor dem Boten steht eine junge Frau, die jene allgewaltige Not schon erspürt hat, in der wir uns alle befinden. Sie besitzt ein Herz, das ahnt, dass alle Straßen dieser Welt Sackgassen sind, da die Hilfe zur Rettung nicht von Menschen kommen kann. Die Hilfe muss herniedersteigen aus den Höhen wie der Tau in der Morgenfrühe. Das Angesicht der jungen Frau leuchtet. Der Engel des Herrn tritt in die Kammer der Jungfrau, grüßt Maria, eine Frau aus unserem Geschlecht. Er tut dies mit einer Ehrfurcht, die unseren oberflächlichen Begegnungen fremd ist. Er spricht ein Grußwort, das in seiner Formulierung erhaben ist, in der Kraft seine Aussage aber Himmel und Erde vereint. „Freue dich, Du Gnadenvolle. Der HERR ist mit dir. Du bist gesegnet unter den Frauen.“ (Lk 1, 28). Der Engel des HERRN bringt Maria eine Botschaft, die keine Frau, die diese Erde bewohnt, in ihrem Leben je gehört hat, noch je wieder hören wird. Ein junges Mädchen, unberührt in seinem Wesen, lauscht dem Wort Gottes. Durch den Mund des Boten steht der Herr der Heerscharen selbst vor der Tür seines Herzens und klopft an. Dieses Herz gehört jener, die ihre ganze Aufmerksamkeit diesem Gotteswort schenkt, so dass das Angebot verstanden wird. Es ist ein Wort der Rettung für uns alle. „Fürchte dich nicht, Maria, denn Du hast Gnade gefunden bei Gott. Siehe, Du wirst empfangen und einen Sohn gebären, und Du sollst ihm den Namen Jesus geben. Er wird der Sohn des Allerhöchsten heißen, - Sohn Gottes.“ (Lk 1. 30-32). In den Augen unserer Welt würde dieses Angebot ein Risiko bedeuten. Es bedeutet die Festlegung ihres kommenden Schicksals mit allen Freuden und Leiden auf dieses Kind. Wer wird ihr glauben? Wird es nicht Schwierigkeiten über Schwierigkeiten geben? Aber die Jungfrau steht erwartungsvoll Gott gegenüber. Sie spürt seine unendliche Barmherzigkeit, die allen zuteil werden soll. Eine Frage nur findet sich auf ihren Lippen: „Wie wird das geschehn?“ Der Bote antwortet ihr: „Der Heilige Geist wird dich überschatten.“ (Lk 1, 30-32 Da schenkt Maria voll Hingabe ihre Bereitschaft, die kein Zögern kennt. „Siehe da die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“. (Lk 1, 38) Maria gibt Gott in dieser Stunde ein ungebrochenes JA als Antwort In diesem JA liegt ihr ganzes Leben, ohne auch das Geringste zurückzuhalten. Dieses JA ist ihr Wesen. Es offenbart sich die Demut des Geschöpfes gegenüber dem Schöpfer. Sie ist nicht wie Eva, die eine Tat des NEIN setzte, von wo aus das Verderben wie ein dunkler Schatten über all ihre kommenden Kinder geworfen wurde. Aus dem Herzen dieser Jungfrau kommt ein JA, das Himmel und Erde umfasst. Es ist dies ein volles, uneingeschränktes und demütiges JA, welches alles Schicksal umspannt und aus einem liebenden und glaubenden Herzen hervorkommt. Die Seele und das Herz dieses Mädchens ist schon immer dem Worte Gottes geöffnet. Durch die Kraft des Heiligen Geistes aber wird dieses Wort Fleisch, und Gottes ewiger Sohn nimmt Knechtsgestalt an. Er entäußert sich seines unendlichen Glanzes in den Halle der Ewigkeiten. Er wird wie wir:Kind im Schoße einer Frau, vom mütterlichen Leib umspannt, von der mütterlichen Wärme in den keimenden Tagen seines Anfangs umgeben. Wer kann das begreifen? Seit jenen Tagen sind die Liebevollsten unter uns in erschauernder Demut vor dem Geheimnis der Menschwerdung des EWIGEN im Staube dieser Erde gelegen, um IHN anzubeten. „Den Du, o Jungfrau vom Heiligen Geiste empfangen Hast.“ Und wir? Auf der Straße unseres Lebens dahin laufend müssen wir lernen, offen zu sein. Suchen auch wir wie Maria, Gottes Gnade zu empfangen, oder ist Gottes Wirklichkeit in uns längstens erloschen? Wir alle leben in unserem Alltag doch so, als ob es IHN gar nicht gäbe. Das Wort von Gott berührt noch unseren Mund, aber in unseren Gedanken ist er zum Hirngespinst geworden; auf keinen Fall die Kraft, aus der Wir leben. - auf keinen Fall der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Und darum wir unser Herz taub, die Ohren verkleben sich, und die Augen erblinden für den Glanz seines göttlichen Lichtes. Die Besten unter uns exerzieren noch Gottesbeweise durch, und die anderen verlachen sie, weil man Gott ja gar nicht beweisen könne, wie sie sagen Zugleich aber verschließen wir unsere Herzen. Wir rechtfertigen uns ständig vor ns selbst in eindrucksvollen Reden und scheinwissenschaftlichen Argumenten. Wir halten Vorlesungen und schreiben dicke Bücher, und es wird uns nicht einmal bewusst, wie unsachlich und kindisch wir uns in diesem (ach) so gescheiten Tun benehmen. Wir kommen uns vor wie die Wissenden und sind im Grunde genommen Toren – Gelehrte, deren vermeintliche Weisheit am Ende den Tod ausatmet. Doch die Brillanz unserer Reden, dieses so hochgescheite Argumentieren sollte uns beschämt erröten lassen. Stehen denn zu beginn der europäischen Geschichte nicht die Sophisten, die danach strebten, durch glänzende und brillante Reden ihren politischen Willen durchzusetzen, auch wenn dieser Wille eine bösartige Manipulation beinhaltete. Quelle: Pilgerfahrt nach Fatima – 1967 – Otto Maier – Reisebericht – Erlebnisse – Gespräche – Überlegungen – Rosenkranz – Die Botschaft von Fátima für unsere Tage – Druck: Schroff Augsburg. S. 38