Der Mensch

„Gott schuf den Mensch nach seinem Bilde; nach dem Bilde Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Der Mensch nimmt in der Schöpfung eine einzigartige Stellung ein: er ist „nach Gottes Bild geschaffen (I); in seiner Natur vereint er die geistige mit der materiellen Welt (II); Gott hat ihn zu seinem Freund gemacht (IV) I „Nach dem Bilde Gottes“ Von allen sichtbaren Geschöpfen ist einzig der Mensch „fähig, seinen Schöpfer zu erkennen und zu lieben“ (GS12,3): er ist auf Erden das einzige Geschöpf . . . das Gott um seiner selbst willen gewollt hat“ (GS 24,3); er allein ist berufen, in Erkenntnis und Liebe am Leben Gottes teilzuhaben. Auf dieses Ziel hin ist er geschaffen worden, und das ist der Hauptgrund für seine Würde.
  • „Was war der Grund, weshalb du den Menschen zu einer so großen Würde erhoben hast? Die unschätzbare Liebe, mit der du dein Geschöpf in dir selbst angeblickt und dich in es verliebt hast, denn du hast es aus Liebe erschaffen, aus Liebe hast du ihm eine Natur gegeben, die an dir, dem ewigen Gut Freude zu empfinden vermag“ (Katharina v. Siena, dial 4,13).
Weil er nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, hat der Mensch die Würde, Person zu sein; er ist nicht bloß etwas, sondern jemand. Er ist imstande, sich zu erkennen, über sich Herr zu sein, sich in Freiheit hinzugeben und in Gemeinschaft mit anderen Personen zu treten, und er ist aus Gnade zu einem Bund mit seinem Schöpfer berufen, um diesem eine Antwort des Glaubens und der Liebe zu geben, die niemand anderer an seiner Stelle geben kann. Gott hat alles für den Menschen erschaffen, aber der Mensch selbst ist erschaffen worden, um Gott zu dienen, ihn zu lieben und ihm die ganze Schöpfung darzubringen:
  • „Welches ist das Wesen, das in solchem Ansehen geschaffen ist? Es ist der Mensch, die große, bewundernswerte lebendige Gestalt, die in den Augen Gottes wertvoller ist als alle Geschöpfe. Es ist der Mensch; für ihn sind der Himmel und die Erde und das Meer und die gesamte Schöpfung da. Aus sein Heil liegt Gott sosehr Wert, daß er sogar seinen eingeborenen Sohn für ihn nicht verschont hat. Gott zögerte ja nicht, alles ins Werk zu setzen, um den Menschen zu ihm aufsteigen und zu seiner Rechten sitzen zu lassen“ (Johannes Chrysostomus, serm. In Gen 2,1).
„Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf“ (GS 22, 1).
  • „Der heilige Apostel Paulus spricht von zwei Menschen, von denen das Menschengeschlecht abstamme: von Adam und von Christus ... Paulus sagt: ,Adam, der erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der letzte Adam wurde lebendigmachender Geist‘. Jener Erste ist von diesem Letzten geschaffen worden und hat auch von ihm die Seele erhalten, damit er lebendig wurde ... Dieser letzte Adam ist es, der bei der Formung dem ersten sein Bild aufprägte. Daher kam es, daß er seine Gestalt annahm und seinen Namen empfing, damit ihm nicht verlorenging, was er nach seinem Bild gemacht hatte. Der erste Adam, der letzte Adam: Der Erste hat einen Anfang, der Letzte hat kein Ende, weil dieser Letzte in Wirklichkeit der Erste ist. Sagt er doch: ,Ich bin das Alpha und das Omega‘“ (Petrus Chrysologus, sermo 117).
Das Menschengeschlecht bildet aufgrund des gemeinsamen Ursprungs Einheit. Denn Gott „hat aus einem einzigen Menschen das ganze Mengeschlecht erschaffen“ (Apg 17,26).
  • „Wunderbare Schau, die uns das Menschengeschlecht sehen läßt in der Einheit eines gemeinsamen Ursprungs in Gott ... in der Einheit der Natu, bei allen gleich gefügt aus stofflichem Leib und geistiger, unsterblicher Seele; in der Einheit des unmittelbaren Ziels und seiner Aufgabe in der Welt; in der Einheit der Siedlung auf dem Erdboden, dessen Güter zu nutzen alle Menschen naturrechtlich befugt sind, um so ihr Leben zu erhalten und zu entwickeln; in der Einheit des übernatürlichen Endziels, Gottes selbst, nach dem zu streben alle verpf1ichtet sind; in der Einheit der Mittel, um dieses Ziel zu erreichen; in der Einheit des Loskaufs, den Christus für alle gewirkt hat“ (Pius XII., Enz. „Summi Pontificatus“).
Dieses „Gesetz der Solidarität und Liebe“ (ebd.) versichert uns, daß bei aller reichen Vielfalt der Personen, Kulturen und Völker alle Menschen wahrhaft Brüder und Schwestern sind. „Katechismus der Katholischen Kirche“. Oldenburg Verlag, München 1993 (Taschenbuchausgabe). S. 122-123