Der Mensch: ein Gemeinschaftswesen



Robinson Crusoe, allein verschlagen auf eine einsame Insel: wenn er wirklich und nicht nur im Roman existierte, er könnte nicht lange leben. Er müsste bald seelisch und körperlich zugrundegehen. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (Gen 2, 18). Erst wenn uns die Fügungen des Lebens zeitweise von unseren Lieben trennen oder sie gar durch den Tod von uns scheiden, spüren wir es besonders deutlich, dass jeder Mensch nur durch die liebende Beziehung zu seinen Mitmenschen zu seinen wahren Ich findet. „Jedes Geschöpf“ (so sagt die Bibel im Buche Sirach 13, 19) „gesellt sich zu seiner Art, und so schließt sich auch der Mensch an seinesgleichen an“.
Das kleine Kind bedarf ganz Notwendig seiner Eltern oder zumindest derer, die Ihre Stelle vertreten, um überhaupt leben zu können und sich die Welt allmählich zu erobern. Von klein an benötigt jeder Mensch seine Mit-Menschen. Er braucht Menschen, die ihn erziehen und heranbilden, menschliche Lehrer und Vorbilder. Er braucht vor allem aber mitfühlende Menschenherzen, die ihm Achtung und nicht zuletzt die zum Leben so notwendige Liebe schenken. Ein Beispiel zeigt, wie sehr wir Menschen aufeinander angewiesen sind, ist Kasper Hauser, ein etwa 16 jähriges Findelkind, das 1828 in Nürnberg auftauchte. Obwohl vollkommen normal, war er ohne Spreche, da er ohne menschlichen Bezug im Walde bei den Wölfen oder in Strenger Gefangenschaft aufgewachsen war. Obwohl man sich seiner liebevoll annahm, gelang es nicht, ihn in die menschliche Gemeinschaft einzugliedern. Da er keine Möglichkeit hatte, sich mitzuteilen, wird sein Schicksal auf immer ein Rätsel bleiben. Ohne all diese mitmenschlichen Beziehungen kann das Menschliche Leben sich nicht entfalten und zu Reife und zum Glück gelangen. Wohl keine Gattung von Lebewesen bedarf so sehr der Gemeinschaft wie das durch seine eigene Schuld so oft Zwietracht zerrissene Menschengeschlecht. So wird keiner von uns von unserem Schöpfer allein für sich in die Welt gesandt, sondern zugleich auch für seine Nächsten. Wir können wahrhaft Mensch nur in Verbindung mit unseren Mitmenschen werden. Erst das Mit-sein schenkt uns das Selbst-sein. So schreibt auch der Kulturhistoriker Oswald Spengler: „Ich, ist eine Bezeichnung für die Tatsache, dass eine Brücke zu einen anderen Wesen vorhanden ist“. (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, Beck-Verlag, München).

Quelle: Einsamkeit als Gnade – Alois Meder –