Der Selige Gottfried von Kappenberg  

Flach wie ein Teller dehnt sich in scheinbar endloser Weite von den Ufern des unteren Rheins bis fast in die Nordsee das westfälische Münsterland aus. Dort wohnen Leute, von denen man sagt, daß sie Schädel aus Eisen hätten. Lange dauert es daher meist, bis sich ein Westfale etwas in den Kopf setzt. Ist er aber so weit, daß er sich ein Ziel zu eigen gemacht hat, dann geht er dafür langsam und ruhig, aber unentwegt und unbeugsam durch dick und dünn, durch Feuer und Tod. Gottfried, oder wie die verkürzte Form des Namens heißt, Götz von Kappenberg, war ein Westfale. Im Jahre 1097 wurde er auf Schloss Kappemberg an den Ufern der Lippe als ältester Sohn und Erbgraf geboren. Aus dem Blauäugigen und blondhaarigen Buben entwickelte sich mit der Zeit ein stämmiger Recke, vierschrötig und kraftgeladen, der wie spielend übermannshohe Birken und Tannen aus den Boden riß, so daß es eine Lust war, ihm bei dem Tun zuzuschauen. Bärenkräfte besaß der Junggraf, und weil es zudem ein schöngeformtes Äußeres aufwies, vornehmen Sinnes war und nach dem Tod der Eltern früh in den Besitz reicher Güter gelangte, haben sich damals im Ausschauen nach ihm manche Freifräulein fast den Hals verrenkt. Über solches Getue konnte Götz in seiner gesunden Art wohl herzlich lachen. Schließlich jedoch machte er dem verunstaltenden Sport der jungen Damen dadurch ein Ende, dass er sich mit der Gräfin Jutta von Arnsberg verehelichte. Daraufhin schaute ihn von den verschmähten Schönen nicht eine mehr an, aber auf Schloss Kappenberg erblühte das Glück der Liebe, das nur deswegen eine leichte Trübung erlitt, weil der innige Wunsch der Eheleute nach einem Kindlein unerfüllt blieb. Mit den Untertanen, den Bauern und den Köttern in der Runde, stand Götz von Kappenberg allezeit auf gut Fuß. Der Graf besaß so viel Verstand, daß er als Herr den Untergebenen diente, und wer immer solche Klugheit besitzt, fährt gut im Leben. Götz sagte zu allen du, und alle sagten du zu ihm. Die Leute wußten, daß sie bei ihrem Grafen in jeder Not Verständnis und tatkräftige Hilfe fanden. Nur durfte man es nicht wagen, etwas Unrechtes zu tun, denn dann zeigte sich der Herr von unerbittlicher Gerechtigkeit und harter Strenge. Sonst aber konnte man es unter seiner Regierung gut aushalten. Unter diesen Umständen verstrich die Zeit, Jahr reihte sich an Jahr, und das Leben des Landedelmann wäre wohl in aller Ruhe weitergelaufen und zu Ende gegangen, wenn sich nicht etwas ereignet hätte, das alles Bestehende über den Haufen warf. Einmal nämlich reiste Götz von Kappenberg nach Köln. Dort begegnete er einem Heiligen. Eine solche Begegnung ist stets gnaden-, nicht selten aber auch schmerzvoll. So war es damals, als Götz mit dem heiligen Norbert zusammentraf. Nicht dass Norberts Worte auf den westfälischen Grafen einen besonderen Eindruck gemach hätten, denn Leute von seiner Art haben für Worte nicht viel übrig, wohl aber zog Norberts Leben, von dem unter dem 6. Juni Weiteres berichtet wird, den Landedelmann von den Ufern der Lippe unwiderstehlich in seinem Bann. Das war doch einmal einer von den Ganzen, dieser Norbert, der keine Halbheit zuließ, der mit beiden Füßen für Gott einstand, und solch einer wollte auch der Kappenberger werden, koste es, was es wolle. Als Götz lange nach der angesagten Zeit endlich heimkehrte, erklärte er, daß er das Schloss zum Kloster machen und selbst darin eintreten werde. Es waren schwerwiegende Worte, die da fielen. Otto, des Grafen jüngerer Bruder, der sich bereits bei Gottfrieds Kinderlosigkeit auf die reiche Erbschaft von Kappenberg freute, raste und tobte wie ein Wilder. Die Gattin weinte. Die hörigen Bauern und Kötter murrten. Aber es nutzte nichts. Alle die sich gegen den Kappenberger Wandten, vergaßen, dass sie es mit einem Westfalen zu tun hatten, der langsam und ruhig, aber unentwegt und unbeugsam sein Ziel verfolgt, bis es erreicht ist. Schloss Kappenberg wurde Kloster, in das nicht nur Götz, sondern auch sein Bruder Otto eintrat, und Jutta nahm ebenfalls den Schleier, und das alles geschah nach anfänglichem Streit zuletzt in Einigkeit und Frieden. Fünf Jahre später, am 13. Januar 1127, starb Götz von Kappenberg und wurde gleich nach seinem Tod vom Volk als Heiliger verehrt. Niemand kann diesen westfälischen Landedelmann die Achtung und Wertschätzung versagen, denn er war ein Mann der herzhaften, frischen Tat, keiner von den Halben, sondern ein Ganzer. Quelle: Kinder und Hauslegende – Die Heiligen im Messbuch der Kirche – P. Robert Quardt SCJ - Verlag Herder – Freiburg im Breisgau, 1954