Der Stern von Bethlehem

Auch der Stern von Bethlehem hat seine Legende, und was sie berichtet, ist der Erwähnung wert. Wie es unter den 19. Dezember in diesem Buch heißt, sind Maria und Joseph am 20. Dezember gegen Mittag von Nazareth aufgebrochen, um rechtzeitig in Bethlehem, dem Ort der Verheißung, anzukommen. Zur gleichen Zeit suchte Gott Vater aus den Millionen von Himmelskörpern, die er zu Anfang der Schöpfung gebildet hatte, den schönsten Stern aus und sandte ihn zur Erde nieder, damit er die Welt und alle Menschen auf das Wunder in der Krippe aufmerksam mache. Dieser Auftrag war für den Stern eine große Ehrung. Sofort brach er denn auch von den Grenzen des unermesslichen Weltalls auf und begab sich auf den weiten Weg. Mit jeder Minute steigerte er die Geschwindigkeit, aber bei der gewaltigen Entfernung dauerte es immerhin viereinhalb Tage, bis er über Bethlehem auftauchte, und es geschah das im gleichen Augenblick, als die Engel den Hirten die frohe Botschaft verkündeten und feierlich das erste Gloria sangen. Da glühte der Stern in strahlender Freude fast so hell wie die Sonne. Weiter zog darauf der Stern ins Morgen- und Mohrenland, holte die Heiligen Drei Könige und zog als leuchtender Wegweiser, der nicht nur in der Nacht, sondern auch tagsüber sichtbar am Himmel, vor ihnen her. Als aber die heiligen Männer in Jerusalem bei Herodes einkehrten, verbarg sich der Stern hinter dichten Wolken, denn dem Judenkönig traute er nicht. Erst als die Heiligen Drei Könige die Heilige Stadt verließen, zeigte sich ihnen auch wieder der Stern, glänzender noch als vordem, und je näher sie an Bethlehem herankamen, desto leuchtender strahlte des Sternes goldsilbernes Licht, bis er endlich über dem Ort, wo das Kind war, wie eine himmelhohe Kerze festlich glühend stillstand. Nach den Königstagen in Bethlehem wanderte der Stern weiter, denn er wollte allen Menschen auf dem Erdenrund Kunde bringen von dem Wunder, das sich in der Krippe ereignet hatte. Bei Tag und Nacht zog er seine leuchtende Bahn, und alle Leute, die ihn sahen, fühlten sich bei seinem Anblick auf eine Geheimnisvolle Weise im Herzen wundersam getröstet und erfreut. Weiter wanderte also der Stern ohne Rast und Ruh, bis ihn schließlich eine bleierne Müdigkeit befiel, die ihn zwang, ob er wollte oder nicht, ein wenig zu rasten und auszuruhen. Er stand gerade mittwegs über den Alpen, und nachdem er eine Weile spähend sich umgeschaut hatte, sah er zwischen hohen Gipfeln ein weites, breites Tal, das ihm reichlich Platz für Rast und Ruhe zu bieten schien. Langsam und vorsichtig, um sich an den scharfen Ecken und Kanten der Berge nicht zu verletzen, stieg der Stern tiefer und tiefer, und schon glaubte er, glücklich gelandet zu sein, da gab es einen lauten Knall, und als der Knall verklang, sah man nichts mehr von dem Stern, der einfachhin verschwunden war.
Als aber die Leute die den Vorfall beobachtet hatten, in hellen Haufen herbeieilten, um nach den Verbleib des Sternes zu forschen, fanden sie die Berge ringsum mit ungezählten kleinen silbernen Sternchen bedeckt, die als Blumen auf den Abhängen und Matten tausendfach blühten. Es war also der Stern von Bethlehem in Millionen von kleinen Sternen auseinandergefallen, und diese silbernen Sternblumen nannten die Leute fortan Edelweiß.
Das ist die Legende vom Stern zu Bethlehem. Es ist eine schöne Legende, und noch vielmals schöner ist der Sinn, der darin liegt, denn es ist der Stern von Bethlehem wie ein Gleichnis von der leuchtenden und wärmenden Liebe des Erlöserherzens. In der heiligen Weihnacht stieg der Stern des Herzens Jesu über der dunklen und kalten Welt empor und stand dreiunddreißig Jahre lang gnadenvoll über der Erde, bis das Heilandsherz am Kreuz auf Golgatha zersprang und mit seinem Blutstropfen die Erde millionenfach segnete, denn wo immer sich ein solcher Tropfen des heiligen Blutes niedersenkte, da blühte die Liebe auf. Jede christliche Liebestat, die in der Welt bis auf den heutigen Tag vollbracht wird, ist ein Edelweiß das dem Herzen Jesu entspricht.
Quelle: Kinder und Hauslegende – Die Heiligen im Messbuch der Kirche – Verlag Herder – Freiburg im Breisgau, 1954 Edelweiß-Bider: https://express5515.blogspot.com/2016/06/edelweiss.html Artikel von Jayita Chakraborty