Die Botschaft des Engels - Verkündigung

Das Bild – Verkündigung, Sakramentar aus Köln, um 1000, Paris, Bibliothèque National – ist vor etwa 1000 Jahren in Köln entstanden. Der Engel Gabriel tritt mit einer segnenden Geste auf Maria zu. Segnen heißt auf Lateinisch bene-dicere, etwas Gutes sagen. Es ist ein gutes Wort, mit dem der Engel Maria anspricht: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!“. Auf Marias Erschrecken hin beruhigt er: „Fürchte dich nicht!“. Jemand hat nachgezählt. Angeblich steht 366-mal in der Bibel der Satz „Fürchte dich nicht“ oder „Fürchtet euch nicht“, d.h. Für jeden Tag des Jahres und den Schalttag noch einmal extra dazu sagt Gott zu uns: „Fürchte dich nicht!“ Wenn wir am Morgen erwachen und fragen: „Lieber Gott, was sagst du mir heute?“, dann antwortet Gott jeden Tag neu: „Fürchte dich nicht!“ Und Gott erklärt schon in der Geburt Jesu, warum wir uns nicht fürchten sollen: „Ich bin ein menschenfreundlicher Gott. Ich bin dort zu finden, werde dort geboren, wo die Menschen „draußen“, am Rande leben, dort, wo es für sie Nacht geworden ist und sie im Stall materieller oder seelischer Armut leben.“ Maria ist aufgestanden, sie kann nicht sitzen bleiben. Die Botschaft, Mutter des Herrn zu werden, ist für sie zuerst ganz wörtlich entsetzlich. Hebt uns die Botschaft des Evangeliums noch vom Sitz? Nicht nur Jugendliche, sondern auch Ältere klagen oft, dass die Predigt, die Verkündigung in der Kirche langweilig sei, weil darin unser Leben nicht mehr vorkommt und die Sprache der Prediger weithin nicht unsere Sprache ist. Zudem leidet die Verkündigung oft darunter, dass die Botschaft Jesu viel zu viel mit Worten statt mit Taten verkündigt wird. Johannes Chrysostomus sagt: „Willst du einen Menschen zum Christentum bekehren, lass ihn zuvor ein halbes Jahr in deinem Hause wohnen!“, und ähnlich fordert der hl. Karl Borromäus: „Willst du einem Bruder von Christus erzählen, musst du ihn vorher siebenmal gespeist haben!“ Maria hat ihre Hände empfangend geöffnet. Sie ist ansprechbar und aufnahmebereit für die Botschaft Gottes. Sind wir auch, oder ist unser Kopf, unser Herz voll mit tausend Dingen, sodass wir gar nicht mehr hören können, was Gott uns sagt? Führen wir nicht oft im Beten nur Monologe und belagern Gott mit unseren Bitten, statt still zu werden, hinzuhören und zu fragen: „Gott, was willst du mir sagen?“ Sören Kierkegaard schrieb einmal: „Als mein Gebet immer andächtiger und innerlich wurde, da hatte ich immer wieder weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören. So ist es: Beten heißt nicht nur sich selbst reden hören. Beten heißt still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.“ Quelle: Gebete und Impulse zu Marienfeiern – Elmar Simma – Tyrolia-Verlag – Inssbruck –Wien Bild: Sakramentar von St. Gereon in Köln, Szene: Die Verkündigung Jahr: Ende 10. Jh.. Museum: Bibliothèque Nationale, Paris.