Die christliche Ehe ist unauflöslich 3.
Opfergabe am Tag nach der Hochzeit, 1885
Jean Eugene Buland (1851-1927)
Musée des Beaux Arts, Caen, Frankreich/ Giraudon / The
Bridgeman Art Library
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Die Stimme Gottes und der Kirche ist auch die Stimme der
Natur. Der Vollzug der Ehe verlangt tiefste persönliche Gemeinschaft, innigste
persönliche Besitzergreifung, höchstes Vertrauen in der wechselseitigen
Hingabe, den heiligen Willen, Kinder in gemeinsamer Arbeit zu körperlicher und
geistiger Reife heranzubilden. Diese vertrauensvollste Hingabe verlangt ihrem
Wesen nach eine unauflösliche, ausschließliche Lebens und Liebesgemeinschaft.
Wenn schon die gewöhnliche Freundschaft Stetigkeit verlangt, dann muss die
Gattenliebe, die die ganze Persönlichkeit des anderen Teiles umfasst und
durchdringt, erst recht einen Gedanken an die Möglichkeit ausschließen, über
Jahr und Tag verschmäht zu werden. Die Möglichkeit einer Ehescheidung müsste das
gegenseitige Vertrauen untergraben statt es zu festigen. Sie müsste
Zurückhaltung und Bitterkeit und Misstrauen ins Herz senken und die
Widerstandskraft und Ausdauer im Unglück schwächen. Das eheliche Leben würde
mit der Zeit unerträglich, jeder Zwist müsste die Kluft erweitern. Die
harmloseste Geselligkeit würde die Eifersucht erregen. Die Aussicht einer
möglichen Trennung und neuen Verbindung würde den Verführer ermutigen und den
guten Willen der Verführten lähmen. Der Gedanke: Das Tor steht immer offen,
würde sich wie eine Scheidewand zwischen die Gatten schieben. Statt in
heiliger, starker Liebe alles miteinander zu tragen und zu teilen, Freud und
Leid, würden sie bei schweren Heimsuchungen allzu leicht über die Grenzpfähle
ihrer Ehe hinausschielen und nach fremdem Glück begehren.
Die Unauflöslichkeit ist der beste Schutz des Weibes als
des schwächeren Teiles der Ehe in seiner Selbsthingabe, in seiner
Geschlechtsehre und in seiner sozialen Versorgung. Die Frau, die am
Hochzeitstage das Haus des Mannes betritt, tut das in der Meinung, dass sie dort
volles, gleiches Heimatrecht mit dem Mann hat. Sollte sie jemals von dort
wieder verstoßen werden dürfen, wo sie das Beste, was sie hat, geopfert hat?
Die Unauflöslichkeit ist die sicherste Bürgschaft für die
volle Erziehung der Kinder. Das Kind hat nicht nur ein Recht auf Wohnung,
Nahrung, Kleidung, sondern auch auf Liebe, Erziehung, gutes Beispiel und allen
jenen Frieden, den ein junges Menschenleben braucht und den nur die Familie
geben kann. Das Kind wird von einer Ehescheidung am meisten getroffen. Sie ist
ein Riss, der durch das Herz des Kindes geht und schwere Schatten auf sein Leben
wirft.
Leo XIII. schreibt in seiner Enzyklika Arcanum: „Wie viele übel im Gefolge der
Ehescheidung sich ergeben, ist kaum nötig zu erwähnen. Durch sie werden die
Ehebündnisse wandelbar, wird abgeschwächt die gegenseitige Liebe, wird eine
verderbliche Verlockung zur Untreue gegeben, erleidet der Unterricht und die
Erziehung der Kinder Schaden, wird Gelegenheit geboten zur Lockerung der
häuslichen Gemeinschaft, wird eine Saat von Zwietracht in den Familien
ausgestreut, wird die Würde der Frauen geschmälert und erniedrigt, indem ihnen
die Gefahr droht, verlassen zu werden, nachdem sie der Lust des Mannes gedient
haben. Und da nichts so mächtig ist, die Familie zu verderben und die Kraft der
Reiche zu brechen als das Verderbnis der Sitten, so lässt sich leicht einsehen,
daß die Ehescheidungen das Gedeihen der Familien und des Gemeinwesens in
höchstem Maße hindern, und wie sie in dem sittlichen Verderbnis der Völker
ihren Ursprung haben, so auch, wie die Erfahrung lehrt, zu noch größerem Unheil
im Privatleben wie im öffentlichen Leben Tür und Tor öffnen.“
Sicherlich mag bei innerer Entfremdung der Gatten das
Wort „unauflöslich“ bergschwer auf den Herzen lasten. Aber auch unter solchen
misslichen Verhältnissen lässt sich der Bruch noch oft vermeiden. Es heißt eben
aus der Not eine Tugend machen und durch Nachgiebigkeit und Güte die seelischen
Gegensätze ausgleichen. Es ist dies eine harte Schule: aber ist die Ehe nicht
auch ein Opferfeld und Sorgendienst? Auch die sogenannten unglücklichen Ehen
tragen in sich den verborgenen Keim wahren Glückes. Es gibt kein Glück und
keine Seligkeit, die nicht dem Leid abgerungen wurden. Nur unchristliche
Schwäche und Feigheit wirft bei auftauchenden Misshelligkeiten gleich die
Flinte ins Korn und ruft nach Scheidung. „Die Liebe trägt alles, duldet alles,
sucht nicht das Ihre“ (1 Kor 13,4). Das muß besonders von der ehelichen Liebe
gelten. Sanftmütige Liebe war das Mittel, durch das die h1. Monika den
Wutausbrüchen ihres noch heidnischen Mannes Einhalt tat. Wunderten sich andere,
wie sie seine üblen Launen ertragen könnte, so antwortete sie: „Wenn ich meinen
Mann erzürnt sehe, so Widerspreche ich ihm nicht, sondern schweige demütig und
bitte Gott, dass er ihm Geduld verleihe.“ Allmählich wurde sein Herz
umgewandelt, und Monika erlebte den Trost, ihn zuletzt noch als guten Christen
zu sehen. Geduld und Sanftmut können viele graue Wolken am Ehehimmel
verscheuchen. Religiöser Sinn ist die stärkste Stütze der Pflicht und schafft
aus Ehegatten, namentlich aus Frauen, oft Helden.
Sind die Verhältnisse ganz und gar unerträglich und
unheilbar geworden, dann gestattet die Kirche den Eheleuten, dass sie durch
Ausspruch des zuständigen Bischofs die eheliche Gemeinschaft, d. i. die
Gemeinschaft des Bettes, des Tisches und der Wohnung für immer oder auf
bestimmte Zeit aufheben. Das eheliche Band bleibt aber in diesem Fall
unversehrt erhalten, so dass eine neue Eheschließung, auch für den etwa
unschuldigen Teil, ausgeschlossen ist. Es mag sein, dass das Lebensglück eines
unschuldig geschiedenen Gatten durch die Unmöglichkeit einer neuen Verheiratung
vollständig zerstört wird. Es kann ein Mensch unter solchem unverschuldeten
Leid unsagbar schwer zu tragen haben. Ein solcher mag das Gesetz der ehelichen
Unauflöslichkeit als eine bittere Grausamkeit empfinden. Aber mit Rücksicht auf
die Gesamtheit kann von diesem Gesetz in keinem Fall eine Ausnahme gemacht
werden. „Wer nennt es eine Grausamkeit, wenn ein General eine Kompanie opfert,
um ein Armeekorps zu retten, wenn ein Staat die Aussätzigen auf eine einsame
Insel verbannt, um ein Volk vor Ansteckung zu bewahren, wenn ein Arzt ein Bein
abnimmt, um ein Leben zu retten? Wer hier von Grausamkeit redet, missbraucht
das Wort. Denn eine Forderung, die absolut notwendig ist, deren Unterlassung
noch größeres Leid brächte, kann nicht grausam sein“ (P. Bönner).
Und doch kann man ab und zu lesen, dass die Kirche eine
Ehe wieder aufgelöst hat. Wie ist dies zu verstehen? Eine zwar gültig
geschlossene, aber noch nicht durch den ehelichen Verkehr vollzogene Ehe unter
Getauften kann dem Bande nach gelöst werden: 1. durch die vom Heiligen Vater zu
gewährende Dispens. (Hier liegt also in Wirklichkeit eine Scheidung, eine
Zerreißung des tatsächlich bestehenden Ehebandes vor. Der tiefste Grund für die
Möglichkeit der Lösung einer noch nicht vollzogenen Ehe liegt darin, dass eine
solche Ehe eben noch nicht vollständig ist.) In Wirklichkeit kommen solche
päpstlichen Dispense äußerst selten vor. 2. Durch Ablegung der feierlichen
Ordensgelübde durch den einen Eheteil (Ordensprofess ist gleichsam geistiger
Tod für die Welt und geistige Ehe mit Gott).
Die kirchlichen Ehegerichte können keine Ehe „scheiden“,
sondern sie können nur feststellen, ob eine Ehe von Anfang an gültig war oder
nicht. Bei diesen kirchlichen Eheprozessen wird mit größter Vorsicht und
Gewissenhaftigkeit vorgegangen. Es wird dabei die Gültigkeit der Ehe so lange
angenommen, bis ihre Ungültigkeit völlig einwandfrei nachgewiesen ist. Mit
welchem Verantwortungsbewusstsein die kirchlichen Ehegerichte ihre oft recht
schwierige Arbeit leisten, ergibt sich klar aus den Veröffentlichungen der
Urteile des obersten Gerichtshofes im päpstlichen Amtsblatt. Sie beweisen
jedem, der sehen und hören will, augenscheinlich, dass hier nicht nach Laune
und Willkür, erst recht nicht nach geldlichen Leistungen, sondern nach den
Grundsätzen unbestechliche Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe geurteilt wird.
Alphons Maria Rathgeber „Kirche und Leben“ „ein Buch von
der Schönheit und Segenskraft der Kirche. Verlag Albert Pröpster, Kempten im
Allgäu 1956. S. 144-147
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