Die Erscheinung am 13. September - Eine Lichtkugel...



Wir führen die Worte eines anderen Augenzeugen an, des Generalvikars von Leiria, der einige hundert Meter von der Menge entfernt mit einem befreundeten Priester die Geschehnisse beobachtete.
Die Menge betete noch, „als plötzlich Jubelrufe ertönten; Tausende von Armen erhoben sich und wiesen gen Himmel. ,Schau, schau, dort - siehst du es nicht? Dort! O wie schön!‘ Am Himmel stand nicht ein einziges Wölkchen. Ich hob den Blick, um den blauen Raum abzusuchen ...
,Was, du schaust auch in die Luft?‘ rief mein Freund. Zu meiner großen Überraschung sah ich deutlich eine Lichtkugel, die langsam und majestätisch gegen Osten schwebte. Auch mein Freund hatte das Glück, diese unerwartete und bezaubernde Erscheinung zu bewundern.
Plötzlich jedoch entschwand die wunderbare Kugel unseren Blicken. Neben uns stand ein Mädchen, etwa in Lucias Alter und auch gekleidet wie diese; sie schrie voll Freude:
,Ich sehe sie! Ich sehe sie noch! ... Jetzt geht sie hinunter.‘
Nach einigen Minuten - genau die Zeit, welche die Erscheinungen zu dauern pflegten - begann das Kind von neuem zu schreien:
,Da ist sie! Da ist sie! Sie steigt noch einmal in die Höhe‘ ­ und es verfolgte die Kugel mit den Blicken, bis sie gegen die Sonne zu verschwand ...
,Was denkst du von dieser Kugel?‘ fragte ich meinen Freund, der von dem Gesehenen ganz begeistert war.
,Es war die Madonna‘, entgegnete er ohne Zögern.
Und das ist auch meine innerste Überzeugung. Die kleinen Hirten durften in ihrer Vision die Muttergottes in eigener Person schauen; uns anderen war es vergönnt, sozusagen den Wagen zu sehen, der sie vom Himmel zur unwirtlichen Serra d' Aire getragen hatte. Wir waren überglücklich. In freudiger Erregung ging mein Freund in der Cova da Iria von einer Gruppe zur anderen, um zu hören, was die Leute beobachtet hatten. Die Personen, die er befragte, gehörten den verschiedensten sozialen Klassen an und alle versicherten einstimmig, die Phänomene, deren Zeugen wir selbst gewesen waren, ebenfalls deutlich beobachtet zu haben.“
Die Madonna kommt
Lucia kniete bei der Steineiche. Plötzlich brach sie das Gebet ab und rief freudestrahlend: „Da ist sie! Da kommt sie!“
Bei diesem fünften Besuch sagte die heiligste Jungfrau zu den kleinen Sehern, sie möchten fortfahren, den Rosenkranz zu beten, um das Ende des Krieges zu erbitten. Dann verkündete sie (indem sie das am 19. August gegebene Versprechen erneuerte}, daß am letzten Tage der heilige Joseph und das Jesuskind kommen werden, um der Welt den Frieden zu bringen, und Unser Herr, um das Volk zu segnen ... Sie trug ihnen auf, sich am 13. des nächsten Monats ganz sicher in der Cava einzufinden.
Einige hatten gebeten, Lucia möge der Muttergottes ihre Kranken empfehlen. Sie bat um deren Heilung.
Die Erscheinung antwortete, einige würden genesen, andere nicht, weil sich der Herr ihnen nicht anvertraue
Ohne Zweifel waren nicht alle in der gleichen seelischen Verfassung; für manche Seele war das Kreuz der Krankheit heilsamer als die Genesung.
„Das Volk möchte eine Kapelle haben“, berichtete Lucia der lieblichen Frau.
Das hieß die Madonna recht und bestimmte, mit der Hälfte des Geldes, das hier gespendet wurde, sollten die ersten Ausgaben für den Bau bestritten werden.
Man übergab Lucia zwei Briefe und ein Parfumfläschchen, um es der Madonna zu übergeben. Lucia sagte: „Man hat mir dies gegeben. Wollt Ihr es?“ Die Erscheinung antwortete: „Solche Sachen braucht man nicht im Himmel.“ „Wirke doch ein Wunder, damit alle glauben!“ drängte Lucia, vom Wunsche erfüllt, die Schwätzer möchten zum Schweigen gebracht werden, die sagten: „Sie ist eine Schwindlerin, die es verdient, aufgehängt oder lebendig verbrannt zu werden.“ Die Erscheinung bestätigte noch einmal das Versprechen, im kommenden Monat ein Wunder zu wirken.
Die Menge, die in frommer Ehrfurcht lauschte, hörte nicht die geheimnisvolle Stimme, doch alle konnten beobachten, daß sich Lucia mit einem unsichtbaren Wesen unterhielt. Endlich sagte das Mädchen: „Jetzt geht sie fort.“
Die Sonne gewann ihren vollen Glanz wieder; die Kinder kehrten in Begleitung der Eltern, die von weitem angstvoll den Vorgang verfolgt hatten, nach Hause zurück; die Menge verlief sich allmählich.
Außer der Lichtkugel und der Verminderung der Sonnenstrahlung, die so bedeutend war, daß man „den Mond und die Sterne sehen konnte“, begleiteten noch andere Zeichen das geheimnisvolle Zwiegespräch oder folgten ihm. Die Atmosphäre nahm eine gelbliche Färbung an, eine weiße Wolke, die auf eine gewisse Entfernung sichtbar war, umgab die Steineiche und die Seher. Vom Himmel fielen seltsame weiße Flocken, kleinen Blümchen oder Schneeflocken ähnlich, die wenige Meter über dem Erdboden verschwanden. Das letztere Phänomen wiederholte sich mehrere Male, wenn Pilgerzüge zur Cova da Iria kamen, besonders am 13. Mai 1924; es wurde von völlig glaubwürdigen Personen bestätigt, auch vom Bischof von Leiria, der es einmal deutlich mit eigenen Augen sah.
Alle diese Phänomene, so außerordentlich sie waren, verblassen vor dem großen Wunder, das am 13. Oktober geschah 31.

Quelle: Prof. Dr. L. Gonzaga da Fonseca, “Maria spricht zur Welt – Fatimas Geheimnis und weltgeschichtliche Sendung” – Tyrolia Verlag , Innsbruck-Wien-München 1963