Die Früchte des Heiligen Geistes - Charitas und Gaudium
Charitas und Gaudium
„Deus caritas est“ (1 Joh. 4, 8), so beginnt die erste
Enzyklika von Papst Benedikt XVI. und „Evangelii gaudium“, so lautet das erste
apostolische Schreiben von Papst Franziskus. Caritas und Gaudium sind also zwei
wichtige christliche Tugenden. Für Paulus sind sie die beiden ersten Früchte
des Hl. Geistes (Gal. 5, 22). Um eine richtige Vorstellung dieser Begriffe zu
bekommen, muss man die vorausgehenden Sätze im Galaterbrief anschauen. Dort
heißt es: „Darum sage ich: Lasst euch vom Geist leiten, dann werdet ihr das Begehren des Fleisches nicht erfüllen. Denn das Begehren des Fleisches richtet
sich gegen den Geist, das Begehren des Geistes aber gegen das Fleisch; beide
stehen sich als Feinde gegenüber, sodass ihr nicht imstande seid, das zu tun,
was ihr wollt.“ (Gal. 5, 16. 17). Anschließend zählt der Völkerapostel die
Werke des Fleisches auf und stellt diesen die Früchte des Hl. Geistes
gegenüber. Angewendet auf die Abbildung hier bedeutet dies, dass „Lieb“ und
„Freude“ nicht im „fleischlichen“ Sinne zu verstehen sind. Die Personifikation
der Liebe sitzt vor einer Säule und wird so schon optisch betont. Sie hält mit
einer Hand ein brennendes Herz an ihre Brust und weist mit einem Finger der
anderen Hand auf das Herz. Dieses bezieht sich auf die Stelle in einem
Paulusbrief, wo es heißt: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen,
durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm. 5, 5). Die
Personifikation der Liebe trägt eine Krone und hat ihren rechten Fuß auf die
Weltkugel gesetzt. Da Gott der Schöpfer und Beherrscher der Welt ist und da
Gott die Liebe ist — Deus Caritas est (1 Joh, 4, 16) —, so ist die Liebe die
Schöpferin und Beherrscherin der Welt. Schwierig sind der Bogen und der Köcher
mit Pfeilen im Rücken der Charitas zu deuten. Man könnte hier an Eros denken.
Dieser Gedanke ist aber zu verwerfen, da diese Liebe nach Paulus zu dem
„Begehren des Fleisches“ zählt. Diana hat zwar einen Bogen, aber nur wenig mit
dieser Liebe zu tun. Herakles gilt manchmal als Liebesgott und am Scheideweg
entscheidet er sich für die „Tugend“, aber eindeutig ist die Beziehung zu diesem
Symbol auch nicht. Vielleicht erinnern
die Pfeile an die übergroße Liebe von Maria zu ihrem Sohn, welche ihr
sieben Schmerzen zufügt. (Mit viel Phantasie könnte man im Köcher sieben Pfeile
zählen!) Auch bei der bekannten Darstellung der hl. Teresa von Avila von
Bermini stößt bei der mystischen Verzückung ein Engel einen Pfeil der Heiligen
ins Herz. Die zweite Tugend, die Freude, steht und hält ein Notenblatt in ihrer
Hand. Musik wird häufig als Zeichen von Freude gedeutet (vgl. Cesare Ripa:
Iconologia).Weiter hält die Personifikation der Freude ein Früchtegebinde und
trägt einen Blütenkranz auf ihrem Haupt. Auch Blüten sind nämlich ein Symbol
für Freude. Im Früchtegebinde erkennt man eine Weintraube. Dies ist wohl eine
Anspielung auf den Bibelspruch „Der Wein erfreut des Menschen Herz“ (Ps. 104,
15). Der Blütenkranz könnte auch eine Beziehung zur Caritas haben, denn er ist
auch ein Symbol für Liebe. So nennt sich das Gnadenbild von Wessobrunn, welches
eine mit einem Blütenkranz bekränzte Maria zeigt. „Mutter der schönen Liebe“.
Zu Füßen der Freude liegt eine teuflische Gestalt mit aufgerissenen Mund und
entsetzt glotzenden Augen. Schlangen haben sich um sein Haupt und seinen Arm
gewunden. Ein rechter Flügel ist zu erkennen. Es ist der gefallene Engel, der Teufel.
Er steht für die Fleischliche Liebe, für die fleischlichen Freuden, für die
Unzucht. Bei ihm sind wir wieder beim oben erwähnten paulinischen
Dualismus. — Alois
Epple
DER
FELS - Januar 2016
Redaktion:
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