Die grundsätzliche Boshaftigkeit des Menschen


Ist der Mensch in seiner Natur normalerweise gut oder böse? Handelt er gewöhnlich gut oder schlecht?

Die Hagiographie zeigt uns deutlich, dass der Mensch grundsätzlich eine Tendenz zum Bösen hat. Deswegen hatten alle Heiligen schwer zu kämpfen, um die Tugenden zu üben und den Grad des Heldentums zu erreichen. Die Heiligkeit ist ein wirklich heldenmütiger Zustand, unvereinbar mit Trägheit, Faulheit, mit dem „morgen, morgen, nur nicht heute“, mit Sinnlichkeit, Hochmut und Eigenliebe.

Daraus ergibt sich, dass es dem Menschen so schwer fällt, nach Heiligkeit zu streben. Es wirkt in ihm eine gewaltige Kraft, die ihn ständig zum bösen hinzieht.

„Qui se existimat stare, videat ne cadat“ - „Wer also meint, er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle“ (1. Kor. 10, 12). Es reicht nicht aus, zu stehen und zuschauen, wie andere fallen und sich noch rühmen, dass man nicht fällt. Man muss sehr Aufmerksam sein, um die nächste Falle seiner Boshaftigkeit zu erkennen. Jeder Mensch kann zu jeder Zeit fallen. Er muss also sich gegenüber ein großes Misstrauen hegen, sein Inneres ständig beobachten und analysieren, um zu erfahren, was aus den tiefen und weiten Kellern, die im Geist eines jeden Menschen vorhanden sind, hervorkommen kann.

Eine Solche Aufmerksamkeit ist Teil der katholischen Gedankenstruktur. So wie wir über uns denken, müssen wir auch über die anderen denken. Wenn die Beharrlichkeit von mir eine ständige Wachsamkeit verlangt, muss ich annehmen, dass sie dieselbe in den anderen verlangt. So muss man besonders berücksichtigen, dass die nicht Wachsamen fallen können. Der Grad der Wachsamkeit ist also ein Maßstab für das Vertrauen, das man in andere haben kann.


Nach diesem Grundsatz, dass der Mensch eine starke Tendenz zum Bösen besitzt und sich sehr leicht von schlechten Impulsen lenken lässt, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir schlechte und böse Handlungen wahrnehmen. Wir dürfen auch nicht zögern, uns zu fragen, ob es vernünftige Gründe gibt, um in diesen oder jenen Menschen böse Absichten zu vermuten.

Quelle: Wahre Andacht zur Muttergottes – Ein Licht in den Wirren unserer Zeit – Plinio Corrêa de Oliveira – Hrsg.: Verein Österreichische Jugend CGDR, Wien