Die Jungfrau Maria

Ein tiefer theologischer Sinn

Das Neue Testament bezeugt uns die jungfräuliche Geburt Jesu als von Gott gewirktes Wunder. Die eigentliche Frage ist also, ob man es Gott zutraut, daß er wirklich der allmächtige Vater ist. Würde so etwas wie eine jungfräuliche Geburt grundsätzlich ausgeschlossen, wäre die Gottes- und Glaubensfrage überhaupt gestellt. Dann wäre die Welt als ein hoffnungslos in sich geschlossenes System verstanden. Der eigentliche Einwand, den heute viele gegen das Bekenntnis zu jungfräulichen Geburt hegen, ist deshalb nicht historischer Art, sondern entspringt dem durchschnittlichen heutigen Weltbild. In dieser Perspektive scheint die Jungfrauengeburt wenn nicht ganz unmöglich, so doch äußerst unwahrscheinlich zu sein. Das ist sie in der Tat, und zwar nicht erst heute, sondern auch schon damals. Aber ist das menschlich Unwahrscheinliche auch das für Gott Unmögliche, oder gilt nicht, daß für Gott nichts unmöglich ist (vgl. Lk 1,37)?. Das heißt nicht, der Glaube müsse möglichst viele Wunder postulieren und alle Wunderberichte leichtgläubig übernehmen. Gottes Wundertaten stehen im Dienst für das Kommen der Herrschaft Gottes. Sie ist das schlechterdings unableitbare Wunder Gottes, das mit dem Kommen Jesu Christi angebrochen ist. So ist die jungfräuliche Geburt Jesu ein leibhaftiges Zeichen des neuen Anfangs Gottes. Sie ist ein Zeichen menschlicher Ohnmacht und Unfähigkeit, das Heil selbst herbeizuschaffen. In der Situation, in der die Menschen keinen Ausweg mehr wußten, hat Gott auf wunderbare Weise durch die neuschaffende Macht seines Geistes einen neuen Anfang gesetzt. Nicht umsonst steht im Neuen Testament die Jungfräulichkeit auch sonst im Zusammenhang des Kommens des Reiches Gottes (vgl. Mt 19,12; 1 Kor 7,7.32-34). Marias Jungfräulichkeit steht auch in engem Zusammenhang mit ihrer Gottesmutterschaft. Wenn Gott bei der Menschwerdung seines Sohnes nicht den normalen Weg der menschlichen Zeugung gegangen ist, so ist dies nicht Willkür; vielmehr steht der Weg der jungfräulichen Geburt in einer zeichenhaften Entsprechung zur Menschwerdung Gottes. Denn die Jungfrauengeburt bringt mit sich mehr überbietbarer Deutlichkeit zum Ausdruck, daß sich Jesus als Sohn Gottes einzig und allein seinem Vater im Himmel verdankt, daß er alles, was er ist, von ihm her und auf ihn hin ist. Die Jungfrauengeburt ist also ein Zeichen der wahre Gottessohnschaft Jesu. Quelle: Katholischer Erwachsenen Katechismus – Das Glaubensbekenntnis der Kirche – Hrsg.: Deutsche Bischofskonferenz – Verband der Diözesen Deutschland, Bonn 1985 – Seiten:Teil 176 und Teil 177.