Die Mutter Jesu in Kana (Joh 2,1-12)
Von Anfang an richtet Johannes alle Aufmerksamkeit auf die Mutter Jesu, auf Jesus und seine Jünger. Er schreibt: „Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen“ (Joh. 2,1-2). Nirgends wird mitgeteilt, wer hier Hochzeit feiert, und außer Maria und Jesus wird niemand aktiv. Die Initiative geht von Maria aus. Nicht ohne Zögern nimmt Jesus ihren Hinweis auf. Aber alle Anwesenden kommen in den Genuss des Handelns Jesu. Ganz besonders gilt das von den Jüngern Jesu, die durch sein machtvolles Zeichen zum Glauben geführt werden. Die Mutter der Menschen Es ist die Aufgabe einer Mutter, zu sehen, was ihre Kinder brauchen, und nach besten Kräften für sie zu sorgen. Maria verhält sich auf der Hochzeit zu Kana wie eine aufmerksame und besorgte Mutter. Mit wachen Augen, die nicht auf sie selber, sondern auf ihre Umgebung gerichtet sind, nimmt sie die Notlage wahr: Sie haben keinen Wein mehr. Wenn der Wein zu Ende ist, ist auch das Fest zu Ende; ohne Wein muss die Hochzeitsfeier abgebrochen werden. Wie eine rechte Mutter stellt Maria den Mangel nicht nur fest, sondern versucht ihn tatkräftig zu überwinden. Sie kann ihn nicht selber beheben, sie kennt aber den, der helfen kann, und sie wendet sich an ihn. Was sie zu Jesus sagt, ist nur indirekt eine Bitte, direkt ist es die Mitteilung der Notlage: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Maria ist eine zurückhaltende Fürsprecherin; sie will Jesus nicht zwingen, sondern respektiert seine Freiheit. Eine ähnliche Mitteilung richten Marta und Maria, die Schwestern des Lazarus, an Jesus: „Herr, sieh: Der, den du liebst, er ist krank“ (Joh 11,3). Auch sie überlassen es Jesus, wie er darauf eingehen will, und haben volles vertrauen zu ihm. Auch ihr Anliegen nimmt Jesus nicht sofort auf, erfüllt aber im Weiteren ihre Bitte. Jesus erwidert seiner Mutter: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ In dieser Antwort gibt Jesus zu verstehen, dass er sich vor allem anderen an den Willen seines Vaters gebunden weiß; dieser hat die Stunde der Vollendung und Verherrlichung Jesu festgesetzt (vgl. Joh 13,1; 14,1) und bestimmt sein ganzes Wirken. Wenn Jesus tatsächlich handelt, nimmt er nicht nur eine Anregung seiner Mutter auf, sondern entspricht dem Willen Gottes, seines Vaters. Maria versteht die Antwort Jesu nicht als Abweisung. Sie trägt den Dienern auf: „Was er euch sagt, das tut!“ Jesus selber stellt immer wieder diese Haltung in den Mittelpunkt: „Das Wort Gottes hören und es tun“ (Lk 8,21; 11,28). Maria verlangt dasselbe von den Dienern: Sie sollen das Wort Jesu hören und danach handeln. Wie sie selber zu Jesus geht, so führt sie auch die Menschen zu Jesus. Auf ihn sollen sie ihre ganze Aufmerksamkeit richten; von ihm werden sie die rechte Weisung erhalten. Maria hat volles Vertrauen zu Jesus und überlässt es ihm, wie er handeln will. Sie verlässt sich darauf, dass er in jedem Fall das rechte tun wird. Wie eine Mutter nimmt sich Maria ihrer Umgebung an; sie bringt deren Notlage vor Jesus und sie fordert die Menschen auf, das Wort Jesu zu hören und nach seinen Anweisungen zu handeln. Sie selber kennt den, der helfen kann, und sie hilft den Menschen, indem sie diese mit Jesus bekanntmacht. Die Mutter der Freude Bei der Hochzeit von Kana geht es nicht um den Hunger der Menschen, sondern um ihr Fest und ihre Freude. Es fehlt ihnen nicht an Brot, um überleben zu können, sondern an Wein, um das Fest fortführen zu können. Maria setzt sich ein für ihre Freude, und Jesus wirkt sein erstes großes Zeichen, indem er ihnen Wein in großer Fülle schenkt. Es ist der „Wein, der das Herz des Menschen erfreut“ (Ps 104,15). Später bei der Brotvermehrung, gibt Jesus der großen Volksmenge so viele Brote, dass alle satt werden und noch viel übrig blieb. Damit zeigt er, dass er selber das Brot des Lebens ist und dass wir durch den Glauben an ihn zur Fülle des Lebens kommen (Joh 6,35). Das irdische Brot nützt nur für das irdische Leben, und dieses geht unausweichlich auf dem Tod zu. Jesus schenkt das unvergängliche ewige Leben. Indem wir an ihn glauben, das heißt ihn als den Sohn Gottes anerkennen, seine Botschaft als gültig aufnehmen, auf ihn alle Hoffnung setzen und uns seiner Führung anvertrauen, verbinden wir uns mit ihm und erhalten in ihm und durch ihn das ewige Leben. Entsprechend zeigt Jesus durch das Geschenk des Weines, dass er gekommen ist, die unvergängliche Freude zu bringen, und dass wir durch den Glauben an ihn zur Fülle der Freude kommen. Im Gebet zum Vater wünscht Jesus für seine Jünger, dass „sie meine Freude in Fülle in sich haben“ (Joh 17,13; vgl. 15,11; 16,20-24). Jesus ist in diese Welt gekommen, um Frohe Botschaft und Freude zu bringen. Von allem Anfang an ist sein Wirken darauf ausgerichtet. Maria ist die Mutter Jesu. Durch sie ist derjenige ins Leben getreten, der uns Menschen die Gülle des Lebens und der Freude bringt. Wie Maria am Beginn des Lebens Jesu steht, so steht sie auch am Beginn seines Wirkens und gibt den Anstoß dazu. In seinem ersten großen Zeichen offenbart sich Jesus als derjenige, der die vollendete Freude bringt. Die Jünger, die an ihn glauben, haben Anteil an seiner Freude und an seinem Leben. Prof.P.Dr..Klemens Stock SJ – em. Prof. für Neues Testament am päpstlichen Bibelinstitut Quelle: Zeitschrift des Rosenkranz-Sühnekreuzzuges um den Frieden der Welt 2022/2 – Nr. 290Helfen Sie uns mit einer Spende, die Andacht zu Muttergottes in Deutschland zu verbreiten.
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