Die Reaktion des hl. Karl Borromäus auf die Verbreitung der Pest

Die angemessene Reaktion auf eine Seuche finden wir bei den Heiligen. Erinnert sei an den hl. Karl Borromäus [1]. Die größte seelsorgliche Herausforderung im Leben des hl. Karl war, so scheint es, der Ausbruch der Pest im Jahre 1576. Als der spanische Statthalter die Stadt verließ und die Adligen auf ihre Landgüter flohen, unternahm der Erzbischof von Mailand alles in seiner Macht Stehende, um der Seuche zu begegnen. Er war kein Arzt, aber unterrichtete sich über die damals neuesten Kenntnisse in der Medizin, um die notwendigen hygienischen Maßnahmen umsetzen zu können. Er hat sich freilich nicht in seinem bischöflichen Palast verbarrikadiert, sondern hat jede Woche alle Pestkranken persönlich besucht und ihnen die Kommunion gespendet. Im Anschluss daran hat er sich desinfiziert, aber sein Handeln erforderte großen Mut. Vor all dem machte er sein Testament, denn er wusste, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Seine Priester wies er an, während der Quarantäne durch die Straßen Mailands zu gehen, um (in gebührendem Abstand) den Menschen am Eingang der Häuser die Gelegenheit zu geben, das Bußsakrament und die Kommunion zu empfangen. Der h1. Kar! war vor allem an dem ewigen Heil der ihm anvertrauten Menschen interessiert, ohne dabei die Sorge für das irdische Wohl und die Gesundheit zu vergessen. Als die Mailänder Monate lang in ihren Häusern eingeschlossen waren, ließ er die Glocken siebenmal täglich läuten zum Gebet (tagsüber alle zwei Stunden). Dabei ließ er an die Leute Hefte verteilen, die für dieses Gebet eine Hilfe boten. Vor der Quarantäne veranstaltete er drei große Prozessionen vom Dom zu den Kirchen des hl. Ambrosius, des hl. Nazarius und dem Marienheiligtum Unsere Lieben Frau von den Wundern beim hl. Celsus. Die Frauen und Kinder blieben zu Hause, um Ansteckungen zu vermeiden. Die etwa 10.000 in der Stadt verbliebenen Männer hingegen unternahmen eine lange Prozession in Zweierreihen, die durch einen Abstand von drei Metern voneinander getrennt waren. Der hl. Karl und der Klerus nahmen barfuß an der Prozession teil mit einer Schlinge um den Hals als Zeichen für das drohende Todesurteil durch die Pest. Der hl. Karl trug ein großes Kreuz und die Reliquie eines Kreuzesnagels, die Kaiser Konstantin nach Rom gebracht hatte. Das Ziel der dritten Prozession war die Marienkirche, die schon im Jahre 1485 Schauplatz eines großen Wunders war: während der damaligen Pest, die über 100.000 Mailänder hinwegraffte (also die Mehrheit der Bevölkerung), beteten 300 Menschen vor einem Marienbild aus der Zeit des h1. Ambrosius. Auf einmal sahen die Menschen, wie das Marienbild sich plötzlich belebte: Maria schob den Vorhang beiseite und zeigte den Menschen das Jesuskind. Dieses Wunder, das von einer gründlichen Befragung der Zeugen beglaubigt wurde, markierte das Ende der Pest [2]. Der hl. Karl wusste von diesem Ereignis ebenso wie von den drei Bußprozessionen in Rom zur Zeit des h1. Papstes Gregor des Großen mit dem Bild der Gottesmutter aus Santa Maria Maggiore, der „Salus Populi Romani“. Die Bußprozessionen des hl. Karl, mit Sicherheitsabstand, haben nicht zur Ausbreitung der Pest beigetragen[3], aber den Familienvätern eine übertriebene Angst genommen und mit dem Gebet den Himmel bestürmt. Einige Wochen später hörte die Pest nach und nach auf, und im nachfolgenden Jahr kam es zu großen Kundgebungen des Dankes gegenüber dem dreifaltigen Gott und der Fürsprache der seligen Jungfrau. Dank des sanitären und geistlichen Einsatzes des hl. Karl gab es in Mailand viel weniger Opfer als anderswo. Der Kardinal und Erzbischof von Mailand wurde wegen seiner Umsicht und seines Mutes während der Pest auch von den Protestanten bewundert, und selbst die gefürchteten Straßenräuber im Veltlin taten ihm nichts zuleide [4]. Am Beginn der Quarantäne betonte der hl. Karl, alle menschlichen Mittel zu benutzen, aber alle gesundheitliche Vorsorge werde uns wenig nützen, wenn wir nicht vor Gott Buße tun für unsere Sünden und in Demut seine Barmherzigkeit anrufen [5]. Dies scheint genau das, was der Kirche (nicht nur) im deutschen Sprachraum heute fehlt. [1] Vgl. dazu H. BACH, Karl Borromäus, Bonn 1984, 109f; F.A. Rossi DI MARIGNANO, Carlo Borromeo, Milano 2010, 284-315. [2] Vgl. F. MAGGI, San Celso e la Madonna. Venti secoli di tradizioni milanesi, Milano 1951, 29-35. [3] Vgl. C. BASCAPÉ, Vita e opere di Carlo Arcivescovo di Milano Cardinale di S. Prassede, Milano 1983, 347. [4] Vgl. G.P. GIUSSANO, Vita di s. Carlo Borromeo, prete cardinale del titolo di santa Prassede arcivescovo di Milano, Roma 1610, libro VI, cap. 6 (deutsch Leben des heiligen Karl Borromäus ..., Augsburg 1836). [5] Vgl. KARL BORROMÄUS, Literae de pietatis devotionisque exercitationibus temporae Quareantenae, 20. Oktober 1576, in Acta Ecclesiae Mediolanensis ab eius initiis usque ad nostram aetatem opera et studio Presb. Achillis Ratti, vol. II, Mediolani 1892, 600-605, auszugsweise abgedruckt in F. GIANCOTTI, Peste (Quaraentena), in Dies., Per ragioni di salute. San Carlo Borromeo nel quarto centenario della canonizzazione 1610-2010, Milano 2010, 801f. Siehe auch die mittlerweile ins Italienische übersetzte Biographie des Zeitzeugen und zeitweiligen Sekretärs des Kardinals, Carlo Bascapé, die zuerst im Jahre 1592 in Ingolstadt erschien: C. BASCAPÉ, Vita e opere di Carlo Arcivescovo di Milano Cardinale di S. Prassede, Milano 1983 (lateinisch-ita1ienisch), 313-419 (libro IV). Quelle: Manfred Hauke, Editorial: Die Corona-Pandemie – ein „Fingerzeig Gottes”, Abschnitt 6. in THELOGISCHES, Mai/Juni 2020, 226-228. Weiterer Link zum Thema: https://r-gr.blogspot.com/2020/04/wie-der-hl-karl-borromaus-das-todliche.html