Die Seitenwunde als Zuflucht der Seelen


In den mystischen Schriften des Mittelalters stoßen wir auch immer wieder auf die Darstellung des Herzens als Zufluchtsort und Oase des Friedens für die bedrängte, müde Seele, die in der Gnade Christi ihre Stütze findet. „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig seid und beladen, und ich will euch erquicken“ (Mt. 11, 28).
Auf mystische Weise gelangten die Seelen zum Herzen Jesu, indem sie die Seitenwunde betrachteten, die ihnen als Eingangspforte zum Heiligsten Herzen galt, in dessen Innern sie Ruhe und Zuflucht vor den Angriffen des Teufels zu finden gedachten. Eingedenk biblischer Worte suchte der Gläubige Zuflucht im Herzen Jesu, wie die Taube sich vor den Angriffen der Raubvögel in den Klüften der Felsen und im Versteck der Steilwand birgt: „Meine Taube, die sich in felsigen Klüften verbirgt“ (Hl. 2, 140).
Keins dieser frommen Bilder mittelalterlicher Frömmigkeit hat inzwischen an Aktualität eingebüßt. Auch heute kann der Gläubige mit dem Rückgriff auf diese Vorstellungen seine Betrachtung nähren und sich immer inniger mit dem fleischgewordenen Wort vereinigen. Die Herz-Jesu-Verehrung kann damit der legitimen Suche der menschlichen Psyche nach Gefühlswärme und Zärtlichkeit entgegen, eine Regung, die vor allem in der weiblichen Seele von großer Bedeutung ist. Dieser Aspekt konnte sich gerade im Mittelalter besonders gut entwickeln, denn in dieser Zeit herrschte eine ganz besondere Stimmung der Erhebung und des Zartgefühls, die Später allerdings wieder verloren ging.
In der Neuzeit wird die Herz-Jesu-Verehrung auch diesem durch die Übernahme des Egoismus auf so rohe und verletzende Weise abgewiesenen Bedürfnis Rechnung tragen, wenngleich dies nun andere Nuancen mit sich bringen wird.



Quelle: Das Heiligste Herz Jesu – Hoffnung, Lösung und Trost für einen jeden von uns – André Sá – Hrsg.: Deutsche Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum e. V. (TFP) – Frankfurt am Main – Aktion: Das Herz Jesu Apostolat für die Familie