Die Unfruchtbarkeit des Gebets...


„Wenn ihr meinen Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er es euch geben“

Immer, wenn ich über das Gebet spreche, meine ich, in eurem Herzen — und auch in meinem herzen — ein paar menschliche Gedanken zu hören: Das habe ich schon oft gehört. Wie kommt es, dass wir, während wir nie aufhören, zu beten, es so selten erleben, dass die Frucht des Gebets erscheint? Wir haben den Eindruck, vom Gebet genauso zurückzukommen, wie wir hineingegangen sind; niemand antwortet uns ein Wort, keiner gibt uns etwas; wir scheinen uns vergeblich bemüht zu haben. Aber wie sagt der Herr im Evangelium? „Richtet nicht nach dem Augenschein, sondern fällt ein gerechtes Urteil" (Joh 7,24). Was ist ein gerechtes Urteil, wenn nicht das Urteil des Glaubens? Denn „der Gerechte lebt durch den Glauben“ (Gal 3,11). Folge also dem Urteil des Glaubens mehr als deiner Erfahrung, denn der Glaube irrt nicht, während die Erfahrung in die Irre führen kann.
Und welches ist die Wahrheit des Glaubens, wenn nicht jene, die der Sohn Gottes selbst verspricht: „Was auch immer ihr im Gebet erbittet, glaubt nur, dass ihr es empfangen werdet, und es wird euch zuteil werden“ (Markus 11,24). Dass also keiner von euch, Brüder, sein Gebet für etwas Geringes hält! Denn ich versichere euch, derjenige, an den es gerichtet ist, hält es nicht für etwas Geringes; noch bevor es unseren Mund verlässt, lässt er es in sein Buch schreiben. Ohne den geringsten Zweifel können wir sicher sein, dass Gott uns gibt, worum wir ihn bitten, oder er wird uns etwas geben, von dem er weiß, dass es vorteilhafter für uns ist. Denn „wir wissen nicht, wie wir beten sollen“ (Röm 8,26), aber Gott hat Erbarmen mit unserer Unwissenheit und vergilt unser Gebet mit Güte... Also, „freu’ dich innig am Herrn, dann gibt er dir, was dein Herz begehrt“ (Psalm 36,4).

Hl. Bernhard von Clairvaux (1090 - 1153), Zisterziensermönch, Abt und Kirchenlehrer
Fastenpredigten Nr.5,5


EVANGELIUM TAG FÜR TAG 31 Mai 2014