Die vier Grundtugenden

Schon die heidnischen Philosophen des Altertums haben die große Bedeutung der Mäßigung und des Starkmutes erkannt. Sie fassten die ganze Lebensweisheit in den Satz zusammen: „Entsage und ertrage“ (Abstine et sustine). Das Christentum als Religion der Liebe fordert überdies noch, dass man gerecht lebe, d. h. jedem das Seine geben und lassen; und dass man klug sei, d. h. bei allen Handlungen, vor allem die ewige Seligkeit anstrebe. — Diese vier Tugenden heißen Grundtugenden, weil das ganze Tugendgebäude auf ihnen beruht. Sind die Tugenden der Christen das Haus, so sind die vier Grundtugenden die vier Ecken dieses Hauses (Hl. Gregor d. Große). Sie heißen auch Kardinaltugenden („cardo“ Türangel) oder Angeltugenden, weil sich auf ihnen das ganze sittliche Leben bewegt wie die Tür auf den Angeln. Die vier Kardinaltugenden sind vier Grundeigenschaften, die sich in einer jeden einzelnen Tugend vorfinden müssen. Auch lassen sich alle sittlichen Tugenden auf die vier Kardinaltugenden zurückführen, z.B. die Mäßigkeit, der Eifer im Guten auf den Starkmut usw. Weil alle anderen Tugenden aus den Grundtugenden entspringen, so sind die Grundtugenden gleichsam die Mütter und alle anderen Tugenden deren Kinder. Die Klugheit ist eine Eigenschaft des Verstandes, die Gerechtigkeit eine Eigenschaft des Willens. Mäßigung und Starkmut sind die beiden Stützen des Willens. Die Klugheit schaut wie ein Auge auf das Himmlische; die Mäßigung gebraucht beim Streben nach dem Himmlischen das Irdische nur als Mittel zum Zwecke, der Starkmut läßt sich bei diesem Streben durch keine Hindernisse abschrecken. „Dieses Viergespann trägt dich zum Himmel empor, wie der Wagen den Elias.“ Die vier Kardinaltugenden sind manchmal abgebildet als Frauengestalten. Die Klugheit hat ein Buch in der Hand. Die Gerechtigkeit eine Waage, die Mäßigung eine umgekehrte Schale, der Starkmut ein Schwert (Spirago) „Beachte bei deinen guten Handlungen nicht so sehr das größere oder kleinere Verdienst als vielmehr die größere Ehre und das Wohlgefallen Gottes.“ (Hl. Franz von Sales) Quelle: Sonne Dich – P. Max Dudle SJ. - Hrsg.: DVCK e. V., Frankfurt am Main -------------------------------- Erklärung zum Bild In der mittelalterlichen Handschrift des Jean Courtecuisse, die sich in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden befindet, sieht man die vier weltlichen Kardinaltugenden als personale Wesenheiten. Man sieht die Weisheit, die Gerechtigkeit, die Tapferkeit und die Mäßigkeit. Oben links sieht man die Weisheit mit den Symbolen Spiegel, Sieb, Sarg und mit einem offenen Sack, aus dem Geldstücke fallen. Das am häufigsten verwendete Symbol ist der Spiegel, in dem die Wirklichkeit rein, klar und unverzerrt erkennbar wird. Oben rechts sitzt die Gerechtigkeit mit Waage und Schwert. Die Waage deutet auf das sorgsame Abwägen unterschiedlicher Interessen und das Zuteilen dessen, was einem jeden zusteht. Das Schwert macht deutlich, dass Gerechtigkeit der Macht bedarf, um sich durchzusetzen zu können. Unten links würgt die Tapferkeit einen Drachen, den sie aus einem Turm zieht. Es bedarf der Tapferkeit, um das Böse dingfest zu machen und zu bekämpfen. Die Mäßigkeit unten rechts trägt Zügel im Mund, durch die sie in Zaum gehalten wird und die verhindern, dass ihr Temperament mir ihr durchgeht. Quelle: http://www.schmidt-bernd.eu/philosophie/ethik/tugend/inhalt.html