Die Vorsehung und das Ärgernis des Bösen
Wenn doch Gott, der allmächtige Vater, der Schöpfer einer geordneten und guten Welt, sich aller seiner Geschöpfe annimmt, warum gibt es dann das Böse? Jede vorschnelle Antwort auf diese ebenso bedrängende wie unvermeidliche, ebenso schmerzliche wie geheimnisvolle Frage wird unbefriedigt lassen. Der Christliche Glaube als ganzer ist die Antwort auf diese Frage: Das Gutsein der Schöpfung, das Drama der Sünde, die Geduldige Liebe Gottes, der den Menschen entgegenkommt. Er tut dies durch seine Bundesschlüsse, durch die erlösende Menschwerdung seines Sohnes und die Gabe des Geistes; er tut es durch das Versammeln der Kirche und die Kraft der Sakramente; er tut es schließlich durch die Berufung zu einem glückseligen Leben. Die freien Geschöpfe sind im Voraus eingeladen, diese Berufung anzunehmen. Sie können diese aber auch – ein erschreckendes Mysterium – im Voraus ausschlagen. Es gibt kein Element der christlichen Botschaft, das nicht auch Antwort auf das Problem des Bösen wäre. Warum aber hat Gott nicht eine so vollkommene Welt erschaffen, dass es darin nichts Böses geben könnte? In seiner unendlichen Macht könnte Gott stets etwas Besseres schaffen. In seiner unendlichen Weisheit und Güte jedoch wollte Gott aus freiem Entschluss eine Welt erschaffen, die „auf dem Weg“ zu ihrer letzten Vollkommenheit ist. Dieses Werden bringt nach Gottes Plan mit dem Erscheinen gewisser Daseinsformen das Verschwinden anderer, mit dem Vollkommenen auch weniger Vollkommenes mit sich, mit dem Aufbau auch den Abbau in der Natur. Solange die Schöpfung noch nicht zur Vollendung gelangt ist, gibt es mit den physisch Guten folglich auch das physische Übel. Die Engel und die Menschen, intelligente und freie Geschöpfe, müssen ihrer letzten Bestimmung aus freier Wahl entgegengehen und ihr aus Liebe den Vorzug geben. Sie können darum auch vom Weg abirren und sie haben auch tatsächlich gesündigt. So ist das moralische Übel in die Welt gekommen, das unvergleichlich schlimmer ist als das physische Übel. Gott ist auf keine Weise, weder direkt noch indirekt, die Ursache des moralischen Übels. Er lässt es jedoch zu, da er die Freiheit seines Geschöpfes achtet, und er weiß auf geheimnisvolle Weise Gutes daraus zu ziehen: „Der allmächtige Gott . . . könnte in seiner unendlichen Güte unmöglich irgend etwas Böses in seinen Werken dulden, wenn er nicht dermaßen allmächtig und gut wäre, dass er auch aus dem Bösen Gutes zu ziehen vermöchte“ (Augustinus, enchir. 11,3). So kann man mit der Zeit entdecken, dass Gott in seine allmächtigen Vorsehung sogar aus den Folgen eines durch seine Geschöpfe verursachten moralischen Übels etwas Gutes zu ziehen vermag. Josef sagt zu seinen Brüdern: „Nicht ihr habt mich hier her Geschickt, sondern Gott . . . Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn . . . um . . .viel Volk am Leben zu erhalten“ (Gen 45,8; 50,20) Aus dem schlimmsten moralischen Übel, das je begangen worden ist, aus der durch die Sünden aller Menschen verschuldeten Verwerfung und Ermordung des Sohnes Gottes, hat Gott im Übermaß seiner Gnade das größte aller Güter gemacht: die Verherrlichung Christi und unsere Erlösung. Freilich wird deswegen das Böse nicht zu etwas Gutem. „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28) Das bezeugen die Heiligen immer wieder: Die hl. Katharina von Siena sagt deshalb „zu denen, die an dem, was ihnen zustößt, Ärgernis nehmen und sich dagegen auflehnen“: „Alles geht aus Liebe hervor, alles ist auf das Heil des Menschen hingeordnet. Gott tut nichts außer mit diesem Ziel“ (dial. 4,138). Der hl. Thomas Morus tröstet kurz vor seinem Martyrium seine Tochter: „Es kann nichts geschehen, was Gott nicht will. Was immer er aber will, so schlimm es auch scheinen mag, es ist für uns dennoch wahrhaft das Beste“ (Brief). Und Juliana von Norwich sagt: „Durch die Gnade Gottes wurde ich inne, dass ich mich fest an den Glauben halten und nicht weniger fest sehen muss, dass alles, wie es auch sein mag, gut sein wird. … Und du wirst sehen, dass alles, alles gu sein wird“ (rev. 32). Wir glauben fest, dass Gott der Herr der Welt und der Geschichte ist. Die Wege seiner Vorsehung sind uns jedoch oft unbekannt. Erst am Schluss, wenn unsere Teilerkenntnis zu Ende ist und wir Gott „von Angesicht zu Angesicht“ schauen werden (1 Kor 13,12),werden wir voll und ganz die Wege erkennen, auf denen Gott sogar durch das Drama des Bösen und der Sünde hindurch seine Schöpfung zur endgültigen Sabbatruhe führt, auf die hin er Himmel und Erde erschaffen hat. Quelle: Katechismus der Katholischen Kirche – Oldenburg Benno Paulusverlag Veritas 1993. Nr. 309 bis 314.Helfen Sie uns mit einer Spende, die Andacht zu Muttergottes in Deutschland zu verbreiten.
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