Die Wiederverchristlichung der Menschheit




„Bereits Leo XIII. sah mit erschreckender Deutlichkeit die sich zusammenballende Krise. Aber er sah auch die einzigen Hilfs- und Heilmittel. Die Welt ist in zunehmender Selbstverschließung gegen Gott und gegen seine von der Kirche vertretene Offenbarung begriffen. Alles läuft darauf hinaus, ,den Glauben an Christus auszutilgen und wenn es möglich wäre, Gott selbst aus der Welt zu verbannen‘ (Annum sacrum 1899). Alle Lebensgebiete geraten in Unordnung. ,Hässlichen und verhängnisvollen Seuchen gleich ist aus dem Rationalismus, Materialismus und Atheismus der Sozialismus, Kommunismus und Nihilismus hervorgegangen ... und es lag dies durchaus im folgerichtigen Gang der Dinge‘ (Exeunte)“. Die Entthronung der sittlichen Ordnung wird sich in eine allgemeine Zerrüttung der Verhältnisse fortsetzen und in einem allgemeinen Krieg als unabwendbaren Dauerzustand enden.
«Nur dann werden diese Übel Heilung finden, wenn im Privat- und öffentlichen Leben eine Sinnesänderung eintritt und man sich zu Christus wieder hinwendet und zur christlichen Lebensordnung! Der Papst entwickelt in unaufhörlicher Folge diese Lebensordnung und reicht in einer großen, bedeutungsvollen Gegengeste zur allgemeinen Abfallbewegung der Zeit durch eine allgemeine Menschheitsweihe (an das hl. Herz Jesu) zur Jahrhundertwende die so geordnete und gesammelte Erde Christus zurück» (Heinrich Maria Köster, «Die Magd des Herrn», l. Auflage 1947, S.54f.).

Aber dieser große Versuch der Wiederverchristlichung «scheint dem obersten Lenker der Kirche nicht ohne Mariens Hilfe möglich und wird darum von einer unaufhörlichen Bemühung um die Belebung ihrer Verehrung begleitet.
Leo XIII. entfaltet in zehn großen Weltrundschreiben über den Rosenkranz, Pius X. in seiner Jubiläumsenzyklika zum 50. Jahrestag der Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis den Anteil Mariens am Werke der Welterlösung. Er reicht von der Übernahme der Mutterschaft, worin Maria an Stelle der ganzen Menschheit den bräutlichen Bund mit der Gottheit schloss, bis in die allgemein fürbittende Gnadenmittlerschaft, so dass Maria als persongewordene Reichsgottessorge vor und neben Christus erscheint: allumfassend, hochgemut und weitstrebend (magnanima, magno animo), ,von einer gewaltigen Flamme wohlwollender und ruheloser, tätiger Liebe entzündet‘ und unerschöpflich fruchtbar. Sie verehren heißt, ihre Gnaden- und Mittlerschaft anrufen, sie als Tor zur lebendigen Christuserkenntnis und -liebe erfahren, und in eine durch die Liebe bewirkten Angleichung an ihr unübertreffliches Vorbild die heiligende Umwandlung seiner Person in einen anderen, besseren Menschen erleben. Ebendies aber ist es, was der ganzen menschlichen Gesellschaft als Segensfrucht erwachsen soll» (ebenda).
Und nun das Wichtigste, was Köster betont: «All dies atmet nicht nur den Geist Grignions. Es erinnert bisweilen sogar an seine Worte, vor allem an seine bedeutsame Wendung, die Maria den leichtesten, sichersten, kürzesten und vollkommensten Weg nennt. Leo XIII. vollzieht noch ein anderes, deutliches Bekenntnis zu Grignion. Er reiht ihn am Tage seines goldenen Priesterjubiläums, am 21.1.1888, der Schar der Seligen ein. Pius X. gesteht, ihn wiederholt studiert zu haben.»
Köster fährt fort: «Als Leo XIII. zur Erneuerung der Kirche und der Welt die Verehrung Mariens empfahl, glaubte er nicht nur einem persönlichen Antrieb zu folgen. ,Wir vermeinen die Stimme der Himmelskönigin selbst zu vernehmen, wie sie Uns in den drückendsten Zeitverhältnissen der Kirche gütig aufrichtet, wie Sie uns durch die Fülle ihres Rates zu den beabsichtigten Unternehmungen für das gemeinsame Heil beisteht‘» (ebenda S.56).
Und Köster schließt mit einem großen Abschnitt über Fatima: «Die Stimme, die der greise Hirt der Kirche zu vernehmen glaubte, hat wirklich gesprochen. ,Dies ist in Fatima, in La Salette, Lourdes und Pontmain geschehen.‘»
Auch die Nachfolger Leos XIII. und Pius’ X., Benedikt XV. und Pius XI. haben ähnlich, d. h. aus dem großen Gedankengut Grignions heraus gedacht. Nicht zuletzt aber scheinen alle marianischen Akte und Entscheidungen unseres jetzigen Papstes (Pius XII.) von ganz demselben Geiste durchglüht. Nicht umsonst hat er am 27.Juli 1947 Ludwig Maria Grignion von Montfort heiliggesprochen. Im Mittelpunkt des Denkens von Grignion aber steht seine «vollkommene Hingabe an Maria», die die Mächte und Kräfte des Weltgeschehens mit letzter Deutlichkeit enthüllt. Bei seiner Heiligsprechung ruft Pius XII. den Verehrern Grignions zu: «Bleibt dem kostbaren Erbe treu, das auch dieser große Heilige euch vermacht hat. Es ist ein herrliches Erbe, würdig, dass ihr ihm auch weiterhin eure Kräfte und euer Leben opfert, wie ihr es bis heute getan!» Und Grignion lehrt uns, die Dinge dieser Welt zu sehen, so wie sie sind. Hier ist auch Pius XII. in seine Schule gegangen.


Quelle: Johannes Maria Höcht: „Fatima und Pius XII. – Maria Schützerin des Abendlandes“. Credo-Verlag Wiesbaden, 1959