Ein sprachliches Problem

Die Liebe Gottes zu uns ist eine Grundfrage des Lebens und wirf entscheidende Fragen danach auf, wer Gott ist und wer wir selber sind. Zunächst aber steht uns diesbezüglich ein sprachliches Problem im Weg. Das Wort „Liebe“ ist heute zu einem der meist gebrauchten und auch missbrauchten Wörter geworden, mit dem wir völlig verschiedene Bedeutungen verbinden. Auch wenn das Thema dieses Rundschreibens sich auf die Frage nach dem Verständnis und der Praxis der Liebe gemäß der Heiligen Schrift und der Überlieferung der Kirche konzentriert, könnten wir doch nicht einfach von dem absehen, was dieses Wort in den verschiedenen Kulturen und im gegenwärtigen Sprachgebrauch aussagt. Erinnern wir uns zunächst an die Bedeutungsvielfach des Wortes „Liebe“: Wir sprechen von Vaterlandsliebe, von Liebe zum Beruf, von Liebe unter Freunden, von der Liebe zur Arbeit, von der Liebe zwischen den Eltern und ihren Kindern, zwischen Geschwistern und Verwandten, von der Liebe zu Nächsten und von der Liebe zu Gott. In dieser ganzen Bedeutungsvielfalt erscheint aber doch die Liebe zwischen Mann und Frau, in der Leib und Seele untrennbar zusammenspielen und dem Menschen eine Verheißung des Glücks aufgeht, die unwiderstehlich scheint, als der Urtypus von Liebe schlechthin, neben dem auf den ersten Blick alle anderen Arten von Liebe verblassen. Da steht die Frage auf: Gehören all diese Formen von Liebe doch letztlich in irgendeiner Weise zusammen, und ist die Liebe doch – in aller Verschiedenheit ihrer Erscheinungen – eigentlich eins, oder aber gebrauchen wir nur ein und dasselbe Wort für ganz verschiedene Wirklichkeiten? (Auszug aus de Enzyklika „Deus Caritas Est“ von Papst Benedikt XVI. – Libreria Editrice Vaticana – Vatikanstadt)