Fragen zur Familiensynode 2015 - VII

VII. Eigenes Gewissen und Lehramt

41. FRAGE: Hat die Kirche überhaupt das Recht, sich in das Privatleben der Menschen einzumischen?

ANTWORT: Die Kirche ist keine Kulturlobby, die eine Ideologie verkündet, sondern eine Gesellschaft göttlichen Ursprungs, die von Jesus Christus den Auftrag bekommen hat, die Seelen zur Wahrheit, zur Heiligkeit und zum ewigen Heil zu führen. Da dieses Heil vor allem von der moralischen Rechtschaffenheit des privaten Lebens eines jeden Einzelnen abhängt, hat die Kirche die Pflicht und daher auch das Recht, die Menschen zu leiten und zu belehren, um sie zum Heil und nicht zur Verdammnis zu führen.


42. FRAGE: Die Sittenlehre der Kirche enthält nur allgemeine Regeln, die auch nicht absolut sind; wäre da nicht Raum für zahlreiche Ausnahmen im Einzelfall?

ANTWORT: Eventuelle Ausnahmen können die Regel nicht außer Kraft setzen, sondern bestätigen sie eher, wie es sprichwörtlich heißt. Im Einzelfall berücksichtigt die Kasuistik natürlich belastende, mildernde oder verhindernde Umstände, doch diese ändern den absoluten Charakter der Prinzipien und die Richtigkeit des Urteils nicht.
„Nun bezeugt die Vernunft, dass es Objekte menschlicher Handlungen gibt, die sich »nicht auf Gott hinordnen« lassen, weil sie in radikalem Widerspruch zum Gut der nach seinem Bild geschaffenen Person stehen. Es sind dies die Handlungen, die in der moralischen Überlieferung der Kirche ,in sich schlecht‘ (intrinsece malum), genannt wurden: Sie sind immer und an und für sich schon schlecht, d.h. allein schon aufgrund ihres Objekts, unabhängig von den weiteren Absichten des Handelnden und den Umständen“ (hl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis Splendor, Nr. 80).


43. FRAGE: Bedeutet die „Freiheit der Kinder Gottes“ nicht, dass wir, wie es ein Bischof sagte, „die Entscheidungen, die die Menschen nach ihrem eigenen Gewissen treffen, respektieren sollen“?

ANTWORT: Persönliche Entscheidungen sind legitim, wenn sie der Wahrheit und der Gerechtigkeit entsprechen. Dazu reicht es nicht aus, dass sie mit „Aufrichtigkeit“ getroffen wurden. Das persönliche Gewissen ist nicht unfehlbar und ebenso wenig ist der Wille frei von Sünde, wie es eine liberale und freiheitliche Ideologie vorgeben will.
„In ihrem ganzen Verhalten seien sich die christlichen Gatten bewusst, dass sie nicht nach eigener Willkür vorgehen können; sie müssen sich vielmehr leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am göttlichen Gesetz“ (Gaudium et Spes, Nr. 50).


44. FRAGE: Viele denken, dass wir das Primat des Gewissens betonen sollten. Wäre es nicht allgemein besser, die Lösung der moralischen Probleme dem Gewissen der Menschen zu überlassen?

ANTWORT: Ehe- und Familienanliegen haben in ganz wesentlichem Ausmaß sozialen und öffentlichen Charakter, und die Ehe ist in ganz besonderer Weise heilig und daher für die Kirche von Bedeutung. Vor allem aber kann das Gewissen dann ein gerechtes Urteil treffen, wenn es gut gebildet und informiert ist.
Das Gewissen allein ist in vielen Fällen nicht ausreichend, um gerechte Lösungen für moralische Probleme zu finden – aus vielen Gründen, die von Unvermögen bis zur völligen Verwirrung reichen können. Vor allem ist niemand ein unfehlbarer und unparteiischer Richter seiner selbst. Warum sonst würden wir die Gerichtshöfe, wie zum Beispiel den Kirchlichen Gerichtshof, überhaupt benötigen?
„Nur wenn der Mensch sich an die von Gott in seine Natur eingeschriebenen und darum weise und liebevoll zu achtenden Gesetze hält, kann er zum wahren, sehnlichst erstrebten Glück gelangen“ (sel. Paul VI., Humanae Vitae, Nr. 31).


45. FRAGE: Läuft man da nicht Gefahr, das persönliche Gewissen zu unterdrücken, gerade in Fragen der Moral?

ANTWORT: Das Gewissen an die Verpflichtungen zu binden, die es gegenüber der Wahrheit und der Gerechtigkeit hat, bedeutet nicht, es zu unterdrücken; im Gegenteil, eine solche Bindung bedeutet eher eine Befreiung, weil ihm dadurch die Gelegenheit gegeben wird, seine eigene Finalität und seine Pflicht zu erkennen und zu erfüllen. Die Ehrbarkeit des Gewissens liegt gerade in der freien Abwägung und dem freien Gehorsam gegenüber dem natürlichen und göttlichen Gesetz.
„Das Gewissen ist nicht von sich her Richter über den sittlichen Wert der Taten, die es anregt. Das Gewissen ist Vermittler einer inneren und höheren Norm, die es nicht selbst geschaffen hat. (…) Es ist nicht die Quelle des Guten und des Bösen. Es ist der Hinweis, die Wahrnehmung einer Stimme, die gerade deshalb die Stimme des Gewissens genannt wird. Es ist der Hinweis der Übereinstimmung der Handlungen mit dem inneren Bedürfnis des Menschen zur Wahrheit und zur Vollkommenheit zu streben. Es ist, mit anderen Worten, die subjektive und sofortige Aufforderung eines Gesetzes, das wir natürlich nennen müssen, wenn auch heute viele Menschen nichts mehr von natürlichem Gesetz hören wollen“ (sel. Paul VI., Ansprache vom 12. Februar 1969).


46. FRAGE: Wenn selbst praktizierende Katholiken gewisse sexuelle Praktiken schon nicht mehr als gegen die kirchliche Lehre verstoßend empfinden, wie kann man von ihnen verlangen, dass sie einer Lehre folgen, die sie nicht mehr verstehen und auch nicht mehr annehmen wollen?

ANTWORT: Es gibt viele Bereiche, in denen der Mensch verpflichtet ist, anzunehmen, was er nicht versteht oder nicht verstehen will, und trotzdem bleibt die Pflicht bestehen. Die Tatsache, dass man eine Anforderung nicht versteht, entbindet einen nicht von der Pflicht, sie zu erfüllen. Der Mangel an Verständnis für ein Verbot kann höchstens die subjektive Verantwortung des Gläubigen mindern; das Verbot selbst hebt er aber nicht auf.
Wenn eine Sittenlehre von den Gläubigen nicht mehr verstanden wird, so liegt das jedenfalls nicht an der Lehre; die Schuld tragen diejenigen, deren Aufgabe es gewesen wäre, diese Lehre klar und überzeugend zu verkünden.


Quelle:
„Vorrangige Option für die Familie“
100 Fragen und 100 Antworten im Zusammenhang mit der Synode
von S.E. Erzbischof Aldo di Cillo Pagotto SSS, S.E. Bischof Robert F. Vasa und S.E. Weihbischof Athanasius Schneider