Franciscos heiliges Sterben




Am 2. April 1919 ließ das Befinden des Kranken es ratsam erscheinen, den Pfarrer zu rufen, damit er die Beichte des Knaben höre. Er hatte noch nicht die Erstkommunion gefeiert und fürchtete zu sterben, ohne vorher den Heiland empfangen zu haben; diese Gedanke schmerzte ihn sehr, wie er der Mutter gestand.
Doch überlassen wir Lúcia das Wort, die besser als alle andern die Geheimnisse dieser engelreinen Seele kannte.

In aller Morgenfrühe kam seine Schwester Teresa, um mich zu holen:
„Komm schnell, Francisco geht es sehr schlecht, und er hat dir etwas zu sagen.“
Ich kleidete mich eilig an und ging zu ihm. Er bat die Mutter und die Geschwister, das Zimmer zu verlassen, weil es ein Geheimnis sei, was er mir sagen wolle. Als sie draußen waren, sagte er zu mir:
„Heute muss ich beichten, damit ich die heilige Kommunion empfangen kann, und dann werde ich sterben. Du sollst mir sagen, ob du Sünden von mir weißt, und dann geh zu Jacinta und frage sie auch.“
„Du hast manchmal der Mutter nicht gehorcht; wenn sie dir sagte, du solltest zu Hause bleiben, liefst du davon, um mich zu besuchen oder um dich zu verstecken“.
„Das ist wahr; das habe ich gemacht. Geh jetzt zu Jacinta und frage sie, ob sie sich noch an etwas anderes erinnert“.
Jacinta dachte ein wenig nach, dann antwortete sie: „Sag ihm, bevor uns die Madonna erschienen ist, hat er dem Vater einmal einen halben Franken gestohlen, um eine Mundharmonika zu kaufen; und als die Buben von Aljustrel Steine auf die von Boleiros warfen, hat er mitgetan“.
Als ich ihm berichtete, was die Schwester gesagt hatte, antwortete er:
„Das habe ich schon gebeichtet; aber ich werde es noch einmal beichten. Wer weiß, ob ich nicht wegen dieser Sünden schuld bin, dass der Heiland so betrübt ist. Auch wenn ich nicht sterben müsste, würde ich es niemals mehr tun. Jetzt bereue ich es“. Und mit gefalteten Händen betete er: „O mein Jesus, verzeihe uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel und hilf denen, die es am nötigsten haben“. - Und dann:
„Höre: bitte auch du den Heiland, dass er mir meine Sünden verzeiht“.
„Ja, ich werde ihn darum bitten; aber wenn sie dir nicht schon verziehen wären, hätte nicht die Madonna vor ein paar Tagen zu Jacinta gesagt, dass sie bald kommen werde, um dich in den Himmel zu holen. Jetzt gehe ich in die Messe, und dort werde ich zum verborgenen Jesus für dich beten“.
„Höre: bitte ihn, dass mir der Herr Prior die heilige Kommunion bringt . . .“
Bei meiner Rückkehr fand ich Jacinta neben dem Bett des Kranken sitzend. Kaum hatt Francisco mich erblickt, da fragte er:
„Hast du den verborgenen Jesus gebeten, dass mir der Herr Prior die heilige Kommunion bringt?“
„Ja, ich habe ihn darum gebeten“.
„Im Himmel werde ich dann auch für dich beten“.
Ich verließ ihn, um meinen Beschäftigungen nachzugehen: Hausarbeit und Lernen. Als ich am Abend wieder zu ihm kam, fand ich ihn strahlend vor Freude: er hatte gebeichtet, und der Pfarrer hatte versprochen, ihm am nächsten Morgen die heilige Wegzehrung zu bringen
Er wollte nüchtern bleiben, und als der Priester mit dem Allerheiligsten eintrat, wollte er sich im Bett aufsetzen, um nochmals zu beichten und mit größerer Ehrfurcht den Leib des Herr zu empfangen. Wegen seiner außerordentlichen Schwäche wurde es ihm nicht gestattet.
Als er die heilige Kommunion empfangen hatte - „mit großer Klarheit des Geistes und Frömmigkeit“ - konnte er seine Freude nicht verbergen. Kaum hatte der Pfarrer das Haus verlassen, als er die Mutter fragte, ob er nicht noch einmal den Heiland empfangen dürfte.
Zum Schwesterchen sagte er: „Heute bin ich glücklicher als du, weil ich den verborgenen Jesus in meinem Herzen habe“.
Als ihn im Verlauf des Tages die Patin besuchen kam, bat er sie, ihn zu segnen und ihm zu verzeihen, wenn er ihr vielleicht manchmal Verdruss. bereitet habe.
Lúcia und Jacinta, die fast den ganzen Tag bei ihm waren, bat er, den Rosenkranz für ihn zu beten, weil er es nicht mehr konnte. Dann sagte er zu ihnen:
„Ich gehe jetzt ins Paradies; aber dort werde ich Jesus und die heiligste Jungfrau sehr bitten, dass sie euch so bald als möglich hinaufholen“.
Als die Nacht hereinbrach, nahmen die Mädchen Abschied von ihm: „Gott befohlen. Francisco! . . . Wenn du heute Nacht ins Paradies gehst, so vergiss nicht auch mich; hast du verstanden?“
„Ich vergesse dich nicht, nein. Du kannst ruhig sein“.
„Dann auf Wiedersehen im Himmel!“
„Im Himmel . . .“
Der folgende Tag war ein Freitag: der 4. April. Gegen sechs Uhr morgens sagte der Sterbende zur Mutter: „Schau, Mutter, das schöne Licht bei der Tür!“
Ein paar Augenblicke später: „Jetzt sehe ich es nicht mehr . . .“
Franciscos Sterbebett
Ein engelhaftes Lächeln verklärte seine Züge, und ohne Todeskampf, ohne ein Stöhnen verschied er sanft.
„Lächelnd zu sterben ist das Privileg der Lieblinge Mariens“.
Er war noch nicht elf Jahre alt, als er in die ewige Heimat eingehen durfte.

Quelle: Maria spricht zur Welt – Geheimnis und Weltgeschichtliche Sendung Fatimas – P. Prof. Dr. L. Gonzaga da Fonseca – Tyrolia-Verlag – Innsbruck – Wien – München