Gabe der Andacht – Donum Pietatis
Heute übersetzt man die Gabe der Andacht auch mit „Gabe der Frömmigkeit“. Thomas von Aquin sieht in dieser Gabe vornehmlich die „Gottesverehrung“. Sie schützt vor Gottvergessenheit, vor Gleichgültigkeit gegenüber Gott. Sie ist aber auch Dienst am geistlichen Wohl des Mitmenschen. Sie macht das Herz milde, nimmt ihm die Härte gegenüber dem Nächsten. Ein frommer Mensch ist nicht gleichgültig gegenüber seinem Nächsten. Deshalb entspricht dieser Geistesgabe nach dem hl. Bonaventura der Vater-unser-Bitte „zu uns komme Dein Reich“. Die Personifikation dieser Gabe des hl. Geistes befindet sich in einem Tempel. Auf einen Säulenstumpf rechts steht eine Schale, in welcher Gott ein Brandopfer dargebracht wird. Dies erinnert an alttestamentliche Frömmigkeit, angefangen beim Opfer Abels bis zu den ausführlichen Opferbeschreibungen in 4. Mose. Demgegenüber hat die Personifikation dieser Geistesgabe eine brennende Flamme in der rechten Hand. Dies bezieht sich wohl auf Hebr 10. Das alttestamentliche Brandopfer ist durch das Opfer Christi abgelöst worden. An einer Stelle heißt es da: „Zeuge ist uns aber auch der Heilige Geist … Ich werde meine Gesetze in ihre Herzen legen und sie in ihr Inneres schreiben.“ Die lodernde Flamme in der Hand meint aber auch, das aus Liebe brennende Herz für Gott und ist ein gängiges Bild für inbrünstiges Beten. Die Personifikation der Gabe der Andacht ist in ein Faltenreiches Gewand gehüllt, ihr Haupt wird von einem Schleier bedeckt. Hier ist wohl an 1. Korinther zu denken, wo es u.a. heißt: „Denn wenn eine Frau sich nicht verhüllt, so mag sie sich gleich die Haare abschneiden lassen; gilt es aber für die Schande, sich die Haare abschneiden oder kahl scheren zu lassen, so verhülle sie ihr Haupt.“ Mit der linken presst die Personifikation ein Buch an ihre Brust, wohl die Bibel. Die Personifikation ist barfüßig. Dies ist ein Zeichen, dass sie sich in einem Tempel, auf heiligen Boden, befindet. Auch Moses musste seine Schuhe auf heiligem Boden ausziehen (2. Mose 3,5). Die Barfüßige kniet mit dem linken Bein auf einem umgestürzten Opferaltar. Dieser ist geschmückt mit drei Köpfen der Venus heiliger Böcke. Darunter liegt Amors Köcher voller Pfeile. Als Schild für das Planetenzeichen der Venus (Kreis mit Kreuz nach unten), der Göttin der sinnlichen Lust, dient ein von einem Pfeil durchbohrtes, flammendes Herz, eine ewigjunge Bildchiffre für durch Amors Pfeil entfachte Liebe. Wir sehen auf dem Bild also zwei kleine Flammen: Einmal unten die Flamme aus dem Herzen, entfacht durch Amro, im Zeichen der Venus. Sie symbolisiert das erotische verlangen. Zweitens die Flamme in der Hand der Personifikation der Andacht. Sie stellt das brennende Verlangen nach Gott dar. Beide Flammen zeigen den Gegensatz zwischen irdischer und himmlischer Liebe. Auch der untere Bildtext spielt auf diese gegensätzliche Liebe an: Das Herz das Andacht liebt, beschützt der hl. Geist vor den Venusfeuer. Der hl. Bonaventura verfasste ein Gebet um die sieben Geistesgaben. In der Strophe über dir Frömmigkeit erwähnt er ebenfalls die brennende Liebe zu Gott. Sie lautet: „O himmlischer Vater, durch Deinen eingeborenen Sohn flehen wir zu Dir, sende uns den Heiligen Geist mit den siebenfachen Gaben … den Geist der Frömmigkeit, damit unsere Herzen in heiliger Liebe und wahrer Andacht erglühen und in der völligen Hingabe an Dich, o Gott, den ersehnten Frieden finden … Amen“ – AE
Quelle: Der Fels – Katholisches Wort in die Zeit – 46. Jahr – September/Oktober 2015
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