Gründonnerstag

Gründonnerstag

Mit festlicher Freude beginnt die Kirche am Gründonnerstag („Donnerstag der Abendmahlsfeier des Herrn“ heißt der Tag in der Kirche) das heilige Amt. Das bisher verhüllte Altarkreuz trägt einen weißen Überzug, der Priester tritt in der weißen Farbe der Freude hin zum Opfer. Jubelnd stimmt er das Gloria an, in das die Orgel mächtig einfällt, sämtliche Glocken auf dem Turm heben ein Festgeläute an, und auch die Ministranten schütteln ihre Glöcklein so kräftig, dass sie fast müde werden. Ach, da ist ja jeder Jubel noch viel zu matt und jede Freude noch viel zu klein, um die Liebe zu preisen, die der Heiland durch die Einsetzung des hochheiligen Altarsakramentes uns erzeigte! Wie gern wollte die Kirche schon am Gründonnerstag frohlockend hinausziehen vors Gotteshaus und ihre Freude durchs ganze Dorf tragen wie an Fronleichnam - aber es ist, wie wenn auf einmal alle Freude erwürgt würde. Jäh verstummt der Jubel, die Orgel reißt plötzlich ab, die Glocken verstummen, die Ministranten bekommen statt der silbernen Schellen hölzerne Klappern; feierlos setzt der Priester das heilige Amt fort. Ölberg und Abendmahlssaal sind zu nahe beisammen. Da kann keine ungetrübte Freude aufkommen.
Bei der Wandlung konsekriert der Priester drei Hostien: eine für die eigene Kommunion, eine für den Gottesdienst am Karfreitag, eine für die Monstranz im heiligen Grab. Außer ihm darf kein anderer Priester der Pfarrgemeinde am Gründonnerstag eine heilige Messe feiern. Die Kirche. will, dass heute in jeder Kirche nur ein einziges Opfer dargebracht werde, dem alle Priester anwohnen, und dass sie dabei die heilige Kommunion empfangen — so wie auch im Abendmahlssaale der Herr allein die Messe feierte und die Apostel aus seiner Hand die Kommunion empfingen.
Wie der Herr sich hingibt in vollkommener Erniedrigung, das zeigt die Nachfeier am Gründonnerstag. Nach dem Amte bereitet der Priester das Gotteshaus für den ernstesten Tag des Jahres, für den Karfreitag. Er nimmt das Allerheiligste aus dem Tabernakel, und trägt es in feierlicher Prozession in eine Seitenkapelle oder zu. einem Nebenaltar, wo er es verbirgt. Dann geht er von Altar zu Altar und beraubt sie allen Schmuckes. Jegliche Zier, sogar das weiße Altartuch, wird entfernt. Wie von gottlosen Räubern verwüstet und zerstört, sieht das Gotteshaus nun aus. Der Psalm, der, der Priester während der Altarentblößung betet: „Meine Kleider haben sie unter sich verteilt und über mein Gewand das Los geworfen“, verrät, welcher Sinn in der Zeremonie steckt: sie erinnert an die Kleiderberaubung des Herrn vor seiner Kreuzigung, an die vollkommene Selbstentäußerung und Erniedrigung Jesu in seinem Leiden. Noch schärfer tritt diese Verdemütigung des Herrn in der Fußwaschung hervor, die zur Erinnerung daran, dass der Heiland vor der Einsetzung des heiligsten Sakramentes in einem rührenden Beweis der Demut und Liebe den Jüngern die Füße wusch, heute noch in Domkirchen stattfindet.


Dem Beispiele Jesu folgen am Gründonnerstag nicht bloß Papst und Bischöfe und in den Klöstern die Äbte oder anderen Vorsteher, sondern auch katholische Fürsten.


(Im Bild: Kaiser Franz Josef wäscht am Gründonnerstag 12 armen Männern die Füße.)

Der Name „Gründonnerstag“ findet verschiedene Erklärung. Wahrscheinlich erhielt der Tag diesen Namen von den grünen Gewändern, die mancherorts beim heutigen Hochamt Verwendung fanden. Eine andere Erklärung ist diese: Die öffentlichen Kirchenbüßer, die von der Kirche ausgeschlossen waren und während der ganzen Fastenzeit in Bußgewändern vor den Kirchentüren stehen mussten, wurden am heutigen Tage wieder in die Kirche aufgenommen, weshalb der Tag vielfach auch „Antlass“, d.i. Ablasstag, heißt. Aus Freude über die Wiederaufnahme schmückten sie sich mit dem ersten Frühlingsgrün. Man hieß sie daher kurzweg „die Grünen“, und der Tag, an dem sie wieder aufgenommen wurden, hieß „dies viridium“, d.i. Tag der Grünen. Aus den dürren Zweigen am Baum der Kirche waren wieder frische, grünende geworden. Andere leiten den Namen Gründonnerstag von dem Essen grüner Kräuter ab, das an diesem Tage früher üblich war und auch heute noch in vielen Häusern auf den Tisch kommt. Es sei nur an die Spinatkrapfen erinnert, an den jungen Kressen-, Nissel- und Feldsalat, an die Suppe aus neunerlei Kräutern, von der es schon in einem Buch aus dem Jahre 1595 heißt:

Am grünen Tisch im Mai (Frühling)
Kocht die Bäuerin ihren Brei
Von neunerlei Kohlkräuterlein,
Sollt' wider alle Krankheit sein.


Quelle: Kirche und Leben – Alphons Maria Rathgeber -
Verlag Albert Pröpster – Kempten im Allgäu, 1956.