Herz-Jesu-Verehrer vor der hl. Margareta Alacoque - V. - Die Äbtissin Gertrud

Vier leuchtende Herz-Jesu-Sterne im Kloster Helfta

Zu Helfta (bei Eisleben) lebten im Benediktinerinnen-Kloster ungefähr vom Jahre 1250 bis 1302 zu gleicher Zeit mehrere Klosterfrauen, die ein so bewunderungswürdiges, heiliges und beschauliches Leben führten, dass das ganze Vaterland über den Reichtum der ihnen eingegossenen Gnade Gottes staunte. Vier von ihnen sind der christlichen Welt zunächst bekannt geworden. Es sind dies die Äbtissin Gertrud, ihre leibliche Schwester, die hl. Mechtild, eine zweite Mechtild, zugenannt von Magdeburg, und die hl. Gertrud, die Große. Von diesen letzteren drei besitzen wir noch Schriften, in denen sich die ihnen von Gott verliehenen außergewöhnlichen Gnadenerweise und Offenbarungen vorfinden. Von der hl. Mechtild haben wir „das Buch besonderer Gnadenerweisungen“; von Mechtild von Magdeburg „Strömendes Licht der Gottheit“ und von der hl. Gertrud die Bücher „Geistliche Übungen“ und „Gesandter der göttlichen Liebe“. Von der Äbtissin Gertrud besitzen wir keine Schrift; sie ist auch nicht heiliggesprochen; wir erfahren aber über ihr heiligmäßiges Leben und seliges Sterben manches durch ihre Schwester, die hl. Mechtild und die hl. Gertrud die Große. Alle vier gottseligen Jungfrauen hatten in überraschender Weise das Geheimnis der göttlichen Liebe in dem Herzen Jesu tief erfasst und nach Maßgabe dieser Erkenntnis ihm den verschiedenen frommen Übungen ihre Verehrung entgegengebracht. Wenden wir uns zunächst zur Äbtissin Gertrud, die zuerst aus der Zeitlichkeit geschieden ist. Gertrud entstammte einem der edelsten obersächsischen Adelsgeschlechter, dem Erbgrafen von Helfta. Sie war im Jahre 1232 geboren und zeigte schon von ihren kindlichen Tagen an eine wunderbare Einsicht und Weisheit. Noch sehr jung trat sie in das Benediktinerinnenkloster Rodartsdorf und wurde hier bereits im Alter von 19 Jahren zur Äbtissin gewählt. Wegen Wassermangel wurde das Kloster in das neue Kloster Helfta verlegt, das die beiden Brüder Gertrudens gegründet hatten. Gertrud zog mit ihren Schwestern im Jahre 1258 dahin und versah daselbst das Amt der Äbtissin bis zu ihrem Tode im Jahre 1291. Sie war eine wahre geistliche Mutter ihrer zahlreichen Töchter . Allen erwies sie eine solche Liebe, dass jede einzelne sich bevorzugt glaubte; bei den zur Erziehung dem Kloster anvertrauten Kinder n war sie die Sanftmut selbst, unter den jüngeren Nonnen erschien sie als Vorbild der Heiligkeit und ernsten Gemessenheit, im Kreise der älteren öffnete sie die Schätze ihrer Weisheit und verbreitete mit dem Lichte zugleich Trost und Freude durch gütige Schonung und zarte Rücksicht. Nachdem sie der Klostergemeinde durch 40 Jahre hindurch auf das Beste vorgestanden war, wurde sie allmählich durch häufige Krankheit geschwächt und verlor sogar die Sprache. In den spärlichen Nachrichten, die wir über ihr Leben haben, ist allerdings nichts erzählt von ihrer Liebe und Verehrung des göttlichen Herzens, umso reicher aber sind die Mitteilungen, die wir hierüber aus ihren letzten Tagen und aus der Zeit vor und nach ihrem seligen Hinscheiden erhalten. Daraus erfahren wir, dass sie eine begeisterte Herz-Jesu-Verehrerin war. Eines Tages während der Krankheit der Äbtissin, glaubte deren Schwester Mechtildis den Herrn zur Rechten der Kranken stehen zu sehen, mit einem Kleide aus reinstem Golde, voll Blume von grüner Farbe und umarmte sie. Da erkannte Mechtildis: durch das goldene Kleid werde bezeichnet die Liebe des göttlichen Herzens, durch die Blumen von grüner Farbe ihr Vertrauen, das sie stets in allen Dingen auf Gott hatte. Das Umarmen bezeichnete die innige Vereinigung, zu der der Herr die Kranke, sind Auserwählte, an sich zog. Ein andermal betete die hl. Gertrud die Große für die Äbtissin und wünscht ihren Zustand zu erkennen, worauf der Herr sein Wohlgefallen über die kranke Äbtissin kundgab. Eines Tages teilte der Herr Gertrud der Großen mit, wie wohlgefällig es sein Herz aufnehme, dass seine Auserwählte es geduldig erträgt, durch die Krankheit in allem gehindert zu sein. Als Gertrud bereits im Todeskampfe lag, sah Gertrud die Große im Geiste, wie der Heiland gleichsam im festlichen Schmucke, ihr entgegen kam, begleitet zu seiner Rechten von seiner seligsten Mutter und zur Linken von seinem geliebten Jünger Johannes, dem Evangelisten. An diese schloss sich eine unzählige Schar himmlischer Geister an. Während man nun vor der Kranken in der Leidensgeschichte die Worte las: „Er neigte sein Haupt und gab den Geist auf“ neigte sich Jesus gleichsam im Übermaße seiner Liebe über die Sterbende, öffnete mit beiden Händen sein eigenes Herz und breitete es über sie aus. Dabei wurde ihr aus dem vor ihr geöffneten Herzen des Herrn ein Genuss der göttlichen Liebe zuteil wie Wohlgerüche aus einem Garten der lieblichsten Blumen.

Im letzten Augenblick, wo die Seele der Äbtissin das Zeitliche verließ, da hörte Gertrud die Große, wie der Heiland hinzutretend folgende Worte von honigfließender Süßigkeit sprach: „Nun endlich gewinne ich dich mir durch den Kuss der wirksamsten Liebe, umfasse dich aufs Innigste in meinem göttlichen Herzen und stelle dich Gott dem Herrn meinem himmlischen Vater vor.“ Jesus wollte mit diesen Worten sagen: „Obgleich meine Allmacht dich bis zu dieser Stunde hier zurückgehalten hat, damit du um so größere Verdienste sammeltest, so erträgt es meine glühende und innige Liebe doch nicht länger, sondern befrei dich, meinen ersehnten Schatz, aus dem Fleische und vereinigt dich mir, damit ihre überheftigste Glut in dir gekühlt und die beseligende Wonne ihr bereitet werde.“ Nach diesen Worten wurde die glückliche Seele vom Körper befreit, mit unaussprechlichem Jubel erhöht und in jenes einzige hocherhabene Heiligtum, nämlich das süßeste Herz Jesu, aufgenommen, das ihr so lange schon so weit aufgetan und einladend offen stand. Als die Äbtissin tot dalag, trauerten und weinten die zurückgebliebenen Schwestern über den Verlust, erfreuten sich aber über die Glorie ihrer Mutter. Gertrud die Große stimmte den Lobgesang an: „Erhebe dich Jungfrau, die du im Schatten des Geliebten ruhest.“ Da hörte man wie eine Stimme antwortete: „Nimmer würde es mir genügen im Schatten, sondern im Herzen des Geliebten ruhe ich auf das süßeste, sicherste und ungestörteste.“ Eines Tages oblag Mechtildis, die Schwester der verstorbenen Äbtissin dem Gebete und sah ihre Seele in strahlender Glorie. Da empfahl sie ihr die ganze klösterliche Gemeinde. Hierauf antwortete die Verstorbene: „Ich empfehle meine Töchter in jenen süßesten Ruheplatz, in dem ich gar sicher lebe, nämlich in das süßeste Herz des liebevollsten Herrn Jesu Christi.“

(Fortsetzung folgt)

Quelle: Anton Steeger: „Das goldene Herz-Jesu-Buch“. Verlag Eduard Mager, Donauwörth. Imprimatur 26.03.1909. Bild: Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon.