„Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll“



„Ich verkünde euch eine große Freude“. Das sind die Worte, die der Engel an die Hirten von Bethlehem gerichtet hat. Heute, ihr Getreuen, spreche ich sie zu euch. Ich bringe euch eine Nachricht, die euch große Freude machen soll. Kann es für arme, zum Tod verurteilte Verbannte eine beglückendere Nachricht geben als die, dass ihnen ihr Retter erschienen ist, der sie vor dem Tod errettet und ihnen die Rückkehr in die Heimat ermöglicht? Und das genau verkündige ich euch: „Der Retter ist euch geboren“ [...]
Wenn ein König zum ersten Mal in eine Stadt seines Reiches kommt, erweist man ihm größte Ehren: Dekorationen und Triumphbögen allenthalben! Rüste dich also, du glückliches Bethlehem, deinen König würdig zu empfangen [...] Wisse, so sagt der Prophet zu dir (Mi 5,1), wisse, dass dir der Vorzug gegeben ist vor allen Städten der Erde, denn dich hat der König des Himmels als Geburtsort hienieden auserwählt, um nicht nur über Judäa, sondern allerorts über die Herzen der Menschen zu herrschen [...] Was mögen die Engel gesagt haben, als sie mit ansahen, wie die Mutter Gottes in eine Felsengrotte ging, um dort den König der Könige zu gebären! Kinder von Fürsten kommen in goldfunkelnden Gemächern zur Welt, umstanden von den höchsten Würdenträgern des Reiches. Der König des Himmels aber will in einem kalten, unbeheizten Stall geboren werden, wo er als Bettdecke nichts als armselige Stofffetzen, als Bett eine elende Futterkrippe mit etwas Stroh hat [...]

Allein der Gedanke an die Umstände, unter denen Jesus Christus geboren wurde, müsste in uns eine glühende Liebe entfachen; und die Worte: Krippe, Stroh, Milch, Wimmern müssten vor unseren Augen das Bild des Kindes von Bethlehem erstehen lassen und zu feurigen Pfeilen werden, die in unseren Herzen Wunden der Liebe hinterlassen. Glückselige Grotte, Krippe, Stroh! Aber um wie vieles glückseligere Menschen, die mit Inbrunst und Zärtlichkeit diesen so liebenswerten Herrn lieben und ihn in glühender Liebe in der heiligen Kommunion empfangen! Mit welch ungestümer Freude Jesus doch Wohnung nimmt in einer Seele, die ihn wirklich liebt!

Hl. Alphons-Maria von Liguori (1696-1787), Bischof und Kirchenlehrer
Ansprache zur Weihnachtsnovene Nr.10

In ETfT 24.12.2016