„Ihr seid durch sein Blut erkauft“ - III

Ein einziges Tröpflein des kostbaren Blutes hätte genügt, um die ganze Welt zu erlösen. Die blutigen Schweißtropfen am Ölberg* hätten hingereicht, es hätte keine Geißelung und keine Kreuzigung mehr gebraucht. Dem Herzen des Erlösers aber hat es nicht genügt. Er wollte sein Blut bis zum letzten Tropfen für uns opfern, er wollte seinen Opferleib auspressen lassen wie eine Traube unter der Kelter, bis zum gänzlichen Verbluten. Welch eine unbegreifliche Liebe! Hätte der Heiland sein Blut für Gerechte vergossen — es wäre vielleicht noch zu verstehen. Ganz unbegreiflich aber bleibt es, daß er es für Sünder, für seine Todfeinde vergossen hat. Darum sagt der hl. Augustinus: „Wie groß ist der Wahnsinn dessen, der den Arzt tötet! Aber wie groß erst ist die Macht und Güte des Arztes, der mit seinem eigenen Blute dem wahnsinnigen Mörder ein Heilmittel bereitet!“

Wenn aber der Meister so verschwenderisch, so opferwillig, so hochherzig war, müßten sich da seine Jünger nicht schämen, wenn sie opferscheu, knauserig, engherzig wären gegen ihn? Sicherlich stand der Herr schon gar manchmal vor deiner Türe und klopfte an: „Opfere mir das und das - entsage dem und dem - tu es mir zuliebe! Schenk mir dein Leben!“ Und du? Hast du dich vielleicht gestellt, als hörtest du sein Betteln nicht? Oder hast du begonnen zu markten und feilschen: „Herr, was du da von mir willst, das kann ich dir nicht geben. Alles sollst du haben, nur dieses eine - nein, das geht beim besten Willen nicht!" Und du hast die Türe zugeklappt und den Herrn stehengelassen.


*) oder das vergossene Blut bei der Beschneidung (Anm. Red.)

Quelle: Alphons Maria Rathgeber, „Kirche und Leben“ – Ein Buch von der Schönheit und Segenskraft der Kirche. Verlag Albert Pröpster, Kempten im Allgäu 1956