Jung sein!


Die Jugend kennzeichnet nicht einen Lebensabschnitt,
sondern eine Geisteshaltung:
Sie ist Ausdruck des Willens,
der Vorstellungskraft und der Gefühlsintensität.
Sie bedeutet Sieg des Mutes über die Mutlosigkeit.
Sieg der Abenteuerlust über den Hang zur Bequemlichkeit.

Alt sein bedeutet nicht, viele Jahre gelebt zu haben:
Man wird alt, wenn man seine Ideale aufgibt.
Die Jahre zeichnen zwar die Haut.
— Ideale aufgeben aber zeichnet die Seele.
Vorurteile, Zweifel, Befürchtungen
und Hoffnungslosigkeit sind Feinde,
die uns nach und nach zur Erde niederdrücken
und uns schon vor dem Tod zu Staub werden lassen.

Jung ist, wer noch staunen und sich begeistern kann.
Wer noch wie ein unersättliches Kind fragt: Und dann ?
Wer die Ereignisse herausfordert
und sich freut am Spiel des Lebens.

Ihr seid so jung wie euer Glaube.
So alt wie eure Zweifel.
So jung wie euer Selbstvertrauen.
So jung wie eure Hoffnung.
So alt wie eure Niedergeschlagenheit.

Ihr werdet jung bleiben, so lange Ihr aufnahmebereit bleibt:
Empfänglich für's Schöne, Gute und Große,
empfänglich für die Botschaften der Natur,
der Mitmenschen, des Unfasslichen.

Sollte eines Tages euer Herz
geätzt werden von Pessimismus,
zernagt von Zynismus,
dann möge Gott Erbarmen haben
mit eurer Seele, — der Seele eines Greises.


Anm.: Über den Autor s. auf der Seite http://www.kombu.de/jungsein.htm

* Dieser Text ist in verschiedenen Sprachen und Varianten zu finden, mit unterschiedlichen Angaben zum Verfasser. Es werden Albert Camus (1913 - 1960), der römische Kaiser Marc Aurel (121 - 180) und Albert Schweitzer (1875 - 1965) genannt.
* Tatsächlich handelt es sich nach meinen neuesten Erkenntnissen bei dem Gedicht um eine in Teilen freie Übersetzung des Gedichts "Youth" von Samuel Ullman (1840 - 1924). Siehe www.uab.edu/ullmanmuseum. (englisch)