Martin von Cochem: Gebet am Silvesterabend
Falle Jesus Christus demütig zu Füßen und bitte ihn um Barmherzigkeit! |
Ein schönes Gebet am Silvesterabend
O Mensch, nun ist dieses Jahr auch dahin, gleichwie alle
deine vorigen Jahre dahingegangen sind. Nun hast du ein Jahr näher zum Tode und
ein Jahr näher zur Ewigkeit.
Dieses Jahr ist hin und wird in Ewigkeit nicht
wiederkommen; es ist hin, als wenn es nie gewesen wäre. O Welt, was bist du
doch anders als lauter Eitelkeit! O zeitliches Leben, was bist du doch anders
als ein Wind, der vorübergeht! Du hast in diesem Jahre viele gute Tage gehabt -
was nützen sie dir? Du hast auch viele böse Tage gehabt - was schaden sie dir
nun? Gute und böse Tage sind vorüber wie ein Schatten und wie ein Rauch, der
nimmer wiederkommt. Was du aber Gutes und Böses getan hast, das bleibt
aufgeschrieben in dem Buch und wird in Ewigkeit nicht ausgelöscht werden.
Aber ach, wie wenig Gutes hast du getan und ach, wie viel
übles hast du begangen!
Du kannst nicht mit Wahrheit sagen, daß du eine einzige
Stunde im Dienste Gottes recht zugebracht hättest. Du kannst aber wohl mit Wahrheit
sagen, daß du viel tausend Stunden im Dienste der Welt, im unnötigen Dienst
deines Leibes und in schweren Sünden verzehrt hast. Wenn du nun selbst dein
Richter sein und alle deine guten Werke auf die eine und alle deine bösen Werke
auf die andere Waagschale legen solltest, so könntest du ja nach der
Gerechtigkeit kein anderes Urteil über dich selbst sprechen, als daß du der
Hölle und nicht des Himmels würdig seist, weil du tausendmal mehr Böses als
Gutes getan hast.
Darum falle Jesus Christus demütig zu Füßen und bitte ihn
um Barmherzigkeit!
Sprich: „O du gerechter Richter, ich bekenne, daß ich
mich in diesem vergangenen Jahre gar oft und grob versündigt habe, und richte
mich selbst als ein gerechter Richter. Es ist mir aber von Herzen leid. Weil du
nimmer einen reumütigen Sünder verstoßen hast, wollest du mich auch nicht
verstoßen. Verzeihe mir, o mein Jesus, ach, verzeihe mir! Darum bitte ich dich
durch die bitteren Zähren, die du in deinem Kripplein vergossen, und durch die
große Armut, so du im Stall zu Bethlehem gelitten hast. Ich nehme mir vor, das
folgende Jahr besser zuzubringen und mich vor der Sünde ernstlich zu hüten.“
Zuletzt bedanke dich von Herzen für alle leiblichen und
geistlichen Wohltaten, so Gott dir dieses ganze Jahr erzeigt hat, sonderlich
dafür, daß er dich am Leben erhalten hat. O wie viele sind dieses Jahr in
seiner Ungnade gestorben, die nicht soviel gesündigt haben als du und dennoch
jetzt im höllischen Feuer brennen; mit diesen würdest du jetzt auch brennen,
wenn Gott dich in deinen Sünden hätte sterben lassen.
Bedanke dich für den Genuß der heiligen Sakramente,
welche dir Gott so vielfältig mitgeteilt und womit er deine unreine Seele
gereinigt und geheiligt hat. Bedanke dich, daß er dich vor Unglück, Sünden und
Schande behütet hat, wohinein du gewiß gefallen wärest und worin du noch
lägest, wenn er nicht gegen dich so gütig gewesen wäre. Endlich bedanke dich
ein für allemal und von ganzem Herzen für alle und jede Wohltaten, so er dir an
Leib und Seele erwiesen hat und deren mehr sind, als du erkennen, geschweige
denn vergelten kannst. Aus Dankbarkeit opfere ihm alles auf, was du und alle
Menschen dieses Jahr ihm zuliebe getan und gelitten haben samt allen guten
Werken, welche seine lieben Heiligen, besonders seine seligste Mutter und St.
Joseph, jemals auf Erden verrichtet haben.
Also beschließe dieses Jahr im Frieden und mache mit ihm
ein gutes Ende! Denn man sagt im Sprichwort: „Wenn das Ende gut ist, so ist
alles gut.“
Martin von Cochem (1634-1712)
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