„Meine Augen haben Dein Heil gesehen“
Heute wird uns die stillschweigende Tat der göttlichen
Vorsehung in Erinnerung gerufen. Seit langem vorgesehene Ereignisse fügen sich
ruhig in den Zeitenlauf ein; gleichzeitig aber bleiben die Besuche des Herrn
unvorhergesehen und geheimnisvoll. Betrachtet, was sich hier ereignet […]
In dieser Szene gibt es natürlich nichts
Außergewöhnliches und nichts Beeindruckendes; in der Welt werden Leute wie die
Eltern dieses Kindes, so arm wie sie sind, und die beiden Greise kaum beachtet — man geht weiter. Nichtsdestotrotz findet hier eine alte und wunderbare
Prophezeiung ihre feierliche Erfüllung. Das Kind, das man auf den Armen trägt,
ist der Erlöser der Welt, der wahrhaftige Erbe, der als Unbekannter kommt und
sein eigenes Haus besucht. Der Prophet hatte gesagt: „Dann kommt plötzlich zu
seinem Tempel der Herr, den ihr sucht [...] Doch wer erträgt den Tag, an dem er
kommt?“ (Mal 3,1.2); und jetzt kommt er, um es in Besitz zu nehmen. Mehr noch:
der greise Simeon wird mit den Gaben des Geistes erfüllt [...]: Freude,
Danksagung, Hoffnung, geheimnisvoll mit Furcht, Schauder und Schmerz vermischt.
Auch Hanna wird zur Prophetin [...], und diese Zeugen, an die sie sich wendet,
sind das wahre Israel, das glaubend die Erlösung der Welt erwartet nach den
Verheißungen […] „Die künftige Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als
die frühere […]“ (Hag 2,9). Jetzt ist sie da, diese Herrlichkeit: ein kleines
Kind mit seinen Eltern, zwei Greise und versammelte Menschen ohne Namen, deren
Anwesenheit keine Folgen hat. „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an
äußeren Zeichen erkennen könnte […]“ (Lk 17,20).
So hat sich Gott immer bei seinem Erscheinen kundgetan
[…]: das Schweigen, das plötzliche Kommen, die Überraschung für die Welt, aller
bekannten Voraussagen zum Trotz, die allen bekannt sind, deren Sinn die
wahrhaftige Kirche erfasst und deren Erfüllung sie erwartet […] Es kann auch
nicht anders sein. Die Ankündigungen Gottes sind eindeutig, doch die Welt läuft
weiter; in ihre Beschäftigungen vertieft, können die Menschen den Sinn der
Geschichte nicht erkennen [...] In jeder Epoche bleibt die Welt blind, doch die
verborgene Vorsehung Gottes wird Tag um Tag mehr Wirklichkeit.
Sel. John Henry Newman (1801-1890), Theologe und
Kardinal, Gründer der Oratorianergemeinschaft in England
Predigt
„Secrecy and Suddenness of Divine Visitations“ PPS t. 2, n° 10
"Evangelium
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