Meine Freiheit besteht darin, die ganze Wahrheit suchen zu dürfen

Leo XIII. legt einen zweiten Punkt dar: Wenn ich mich selbst analysiere, merke ich, dass ich durch die Anwendung meiner Intelligenz die Möglichkeit habe, viele Wahrheiten zu finden. Doch ich erkenne auch, dass andere, viele andere Wahrheiten besser verstehen als ich selbst. Es kann sogar vorkommen, dass weniger intelligente Menschen gewisse Dinge besser verstehen als ich. Gott schuf uns so, dass jeder einige Dinge versteht oder sieht, was kein anderer sieht oder nicht mit der gleichen Klarheit sieht. Ich komme zu dem Schluss: Es gibt Menschen, die Dinge sehen, die ich nicht zu sehen fähig bin. Da meine Freiheit darin besteht, die ganze Wahrheit kennenzulernen, um meinem Drang zur Erkenntnis der Wahrheit nachzukommen, muss ich auch diejenigen befragen, die in gewissen Dingen fähiger sind als ich und ihre Meinung vor meiner stellen. Daher kommt es auch, dass man Fachberater, Spezialisten, im Leben erfahrene Personen heranzieht, weil sie in der Lage sind, Lösungen oder Antworten zu finden für Situationen oder Probleme, die man selbst nicht finden würde. Ein Mensch, der wirklich frei sein will, der seine Tendenz zum Guten, zur Vollkommenheit führen will, nimmt es an, von einem Fähigeren geführt zu werden. Er gibt damit einen blendenden Beweis seiner Freiheit. Wir verstehen also hier, dass die Tatsache, befehligt zu werden, die höchste Form der Freiheit ist. Das Natürlichste auf der Welt ist, dass der wahrhaftig freie Mensch um Rat bittet, sich beeinflussen lässt, um wirklich frei zu sein. Mehr noch, jeder nicht hochmütige Mensch versteht, dass er meistens parteiisch ist, wenn er über sich selbst urteilen muss. Vor kurzem habe ich einen Bericht über einen Priester gelesen, der sich für die Homosexualität aussprach. Der Grund, den er angab, war folgender: der Homosexuelle ist nun einmal so; kein Mensch soll sich zügeln, weil er ja das Recht hat, frei zu sein. Da er sich nicht zügeln soll und machen darf, was er will, darf er die Homosexualität praktizieren. Eine logische Folge in der „Zivilisation der Freiheit“. Dieser Priester hat lediglich den traurigen und sündhaften Mut gehabt, die letzten Konsequenzen aus den liberalen Prinzipien zu ziehen. Auf diesem Weg können wir zu den größten Verbrechen und Abscheulichkeiten kommen. Der Mensch will, ist frei und tut es. Doch in Wirklichkeit fördert er die Versklavung der Person, die nicht widerstehen wollte und sich in die Sünde wider der Natur stürzte. Quelle: Wahre Andacht zur Muttergottes – Ein Licht in den Wirren unserer Zeit – Plinio Corrêa de Oliveira – Hrsg.: Aktion, „Österreich braucht Mariens Hilfe“ - Verein Österreichische Jugend CGDR, Wien