„O vere beata Nox!“

O wahrhaft selige Nacht!

Verklungen ist der Ruf, des Heilands: „Es ist vollbracht!“ Ausgetobt ist der Todeskampf. Verhallt ist das Mordgeschrei der Feinde Jesu. Auf Kampf folgt Friede, auf Mühe und Leid Stille und Ruhe. Der Herr liegt im Grabe, Sabbat ist geworden, Tag der Ruhe. Der „heilige Sabbat“, wie die Kirche den Karsamstag nennt, ist angebrochen. In schwelgender Stille feierten die Christen der alten Zeit diesen Tag der Grabesruhe Jesu. In verhaltenem Schmerz und stiller Trauer verbrachten sie den Vormittag, so wie eine bange Stille und Öde in dem Hause herrscht, aus dem man am Vortag den Leichnam einer geliebten Person zu Grabe geleitet hat. Erst am späten Abend versammelten sich die Christen zum herrlichen Gottesdienst der Osternacht, zu der großen Ostervigil. Unter Gebet und Psalmengesang, bei Lesung und Predigt harrten sie die ganze Nacht in der Kirche aus; bis der Ostermorgen aufdämmerte und mit ihm das jubelnde Alleluja erscholl! Seit dem 4. Jahrhundert etwa schob man den Beginn der Vigilfeier auf den Nachmittag vor. Im 14. Jahrhundert bildete sich die Gewohnheit heraus, die Feier schon am Karsamstagmorgen zu halten. So war es bis zum Jahre 1951, als Papst Pius XII. die Erlaubnis erteilte, die feierlichen Zeremonien wieder wie in alter Zeit in der Osternacht vorzunehmen.
Die Feier der Ostervigil beginnt mit der für die Kinderwelt besonders anziehenden Feuerweihe. An Ketten schleppen die Buben große Scheite zum Kirchplatz und schichten sie zuhauf. Nachdem alle Lichter verlöscht sind, schlägt der Priester zum Sinnbild des aus eigener Kraft dem Felsengrab entsteigenden Heilands aus Stein (so war es wenigstens früher) „neues, reines Feuer“ und steckt damit den Scheiterhaufen in Brand. Wie der Funke aus dem toten Stein hervorspringt, so zerbrach Christi Gottheit den Stein des Grabes und trat strahlend in den Auferstehungsmorgen. Nach der Weihe des Feuers ziehen die Knaben ihre halbverkohlten Scheite aus dem Stoß und tragen sie nach Hause. Vom angekohlten Holz werden kleine Stückchen in verschiedene Orte des Hauses und der Scheune gesteckt, um sie vor Blitz und Feuersgefahr zu schützen. Den Hauptglanz verlieh in früheren Jahrhunderten der Karsamstagsliturgie die feierliche Taufe der Katechumenen. Karsamstag war großer Tauftag. Wie der Heiland aus dem Grabe zu neuem, verklärtem Leben, so sollten die Täuflinge durch das Wasser der Wiedergeburt aus dem Grabe der Sünde auferstehen zu einem neuen, heiligen Osterleben in Gott. In freudiger Erwartung zogen da früher die Täuflinge, nachdem ein langer Unterricht vorausgegangen war, mit ihren Angehörigen zur Kirche - ganz wie unsere Erstkommunikanten am Weißen Sonntag. In wunderbarem Glanze erstrahlte das Gotteshaus, oft war sogar die ganze Stadt festlich erleuchtet. Vor dem Bischofe widersagten die Täuflinge im Angesichte der ganzen Gemeinde dem Satan und seinen Werken und gelobten feierlich dem Heilande ihre Treue. Dann stiegen sie im weißen Taufkleide den Taufbrunnen hinab und empfingen das Wasser der Heiligung. Als Christen, als neugeborene Gotteskinder verließen sie den Taufbrunnen und sangen jubelnd ihr erstes Osteralleluja durch die Kirche, in das die ganze Gemeinde frohlockend mit einstimmte. Wenn dann der Ostermorgen aufdämmerte, hielt der Bischof das Frühamt, unter dem die Täuflinge zum ersten Male die heilige Kommunion empfingen. Eine solche Osternacht - mit Taufe und erster heiliger Kommunion - blieb freilich den jungen Christen ihr Leben lang unvergesslich, und mit Begeisterung dachten sie noch in späteren Jahren an diese glänzende Ostervigil. Als karger Überrest der einstigen Tauffeier blieb unserer Karsamstagsliturgie noch die Weihe des Taufwassers. Ihr gehen Lesungen (Prophetien) voraus, die einst die Aufgabe hatten, den Katechumenen eine letzte Mahnung und Belehrung vor dem Empfang des Taufsakramentes zu geben. In großartigen, hochfeierlichen Gebeten und Gesängen und in sinnvollen Zeremonien folgt die Weihe des Taufwassers, die mit Besprengung der Gläubigen, mit neuem „Ostertauf“ abschließt. Von der Taufkapelle zogen einst die Neugetauften in feierlicher Prozession unter fröhlichen Gesängen zur Kirche, wo das heilige Opfer stattfand. Heute noch ist uns ein Rest davon erhalten. Wenn der Priester vom Taufbrunnen zum Altar hinschreitet, erklingt als Begleitlied die Allerheiligenlitanei. Ihre letzten Anrufungen gehen über in das Kyrie des heiligen Amtes, in dem schon der ganze Osterjubel zum Ausdruck kommt. Die Sonne der Osterfreude schickt bereits ihre ersten kräftigen Strahlen voraus. Jubelnd ertönt schon wieder das Gloria, mächtig erbraust wieder die Orgel, dreimal frohlockt der Priester nach der Epistel: „Alleluja!“ und von allen Herzen fällt der schwere Druck der Kartage und in allen Herzen fängt es an zu singen: Ostern, Ostern ist da! Jesus lebt! Mit ihm auch ich! Alleluja! Alleluja! Mit dem Glorialäuten des Karsamstags, dem „Fastenausläuten“, verband sich allerlei Aberglaube. Beim ersten Glockenklang rannte in manchen Gegenden die Stallmagd in den Obstgarten beim Haus, um eine Schürze voll Gras zu rupfen. Dann gab - so glaubte man - das Futter das ganze Jahr über reichlich aus und das Vieh blieb gesund und gedieh. Vorteilhaft sollte es auch sein, während des Läutens die Obstbäume zu schütteln. Das ließ eine reiche Ernte erwarten. Um ihre Schönheit besorgte Mädchen liefen unterm Jubel der Osterglocken zu einem Brunnen mit laufendem Wasser oder zum Dorfbach, um sich zu waschen. Bis zum Gloria steht nämlich nachdem Volksglauben der Heiland im Wasser. Deshalb ist alles Wasser jetzt besonders gesegnet. Es hat allerhand heilende Kraft: vertreibt Sommersprossen, heilt Ausschlag, macht anmutig und hübsch ... In einzelnen Orten Niederbayerns schlug man während des Fastenausläutens einen zugespitzten Pflock mitten im Hofe ein. Man glaubte: soweit der Schall dringt sei alles den Hühnern gefährliche Raubzeug, wie Fuchs, Marder und Habicht, für ein Jahr vom Bauernhof verbannt. Denn beim Fastenläuten ist jeder Schall geweiht. (Die alte Anschauung vom geisterabwehrenden „Heidenlärm“ liegt diesem Brauch zugrunde.) Fasten ist ausgeläutet. Bußzeit ist vergangen. Christ ist erstanden. Freu' dich, erlöste Christenheit, freu' dich und singe: Alleluja! Quelle: Kirche und Leben – Alphons Maria Rathgeber - Verlag Albert Pröpster – Kempten im Allgäu, 1956.