O wunderbarer Tausch
Die Kirche betet in der Weihnachtsliturgie: „O
wunderbarer Tausch! Der Schöpfer des Menschengeschlechtes hat einen
menschlichen Leib angenommen und ließ sich herab, von einer Jungfrau geboren zu
werden. Er ist hervorgegangen als Mensch ohne irdischen Vater und hat uns seine
Gottheit mitgeteilt.“ Ist das nicht in der Tat ein ganz unbegreiflicher Tausch?
Gott entlehnte unsere menschliche Natur und schenkte uns dafür seine Gottheit.
Für die menschliche Natur gibt uns das ewige Wort als Austausch Anteil und
Mitbesitz an seiner Gottheit. Er macht uns seiner göttlichen Natur teilhaftig, so
dass sich ein Austausch vollzieht, wie er wunderbarer nicht gedacht werden
kann.
Um zu Gott den Menschen zu erheben,
Lässt sich Gott herab, ein Mensch zu werden.
Um für Fluch das Heil der Welt zu geben,
Ward das Heil zum Fluch der Welt auf Erden.
Jesus empfing ein menschliches Leben und gab uns dafür
Anteil an seinem göttlichen Leben. „Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch
Gott werde“ (St. Augustinus). Wohl waren schon die ersten Menschen bei ihrer
Erschaffung mit der Teilnahme an der göttlichen Natur ausgezeichnet worden.
Aber der Sündenfall der Stammeltern hat uns des Anrechtes auf diese wunderbare
Teilnahme beraubt. Um dieses Anrecht wiederherzustellen, ist „das Wort Fleisch
geworden“. Um den Weg zum Himmel wiederzueröffnen und uns die Anteilnahme an
seinem ewigen Leben zurückzugewinnen, ist Gott Mensch geworden. „Als die Fülle
der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn ... Er sollte die unter dem
Gesetz Stehenden loskaufen, damit wir die Anteilnahme an Kindes Statt erhielten“
(Gal4,4). Was Christus durch seine Natur ist, das sollte der Mensch durch die
Gnade werden: Kind Gottes! Durch das menschgewordene Wort wurden wir wieder
Kinder Gottes, Glieder des mystischen Leibes Christi und so gleichsam in den
Blutkreis Gottes wieder hereingenommen. Das Tor des Paradieses, das seit Jahrtausenden
verschlossen war, wurde aufs neue wieder aufgetan. Wir kamen wieder heim,
nachdem wir lange, lange in die Irre gegangen waren. Die verlaufenen Kinder
fanden sich auf einmal wieder im Schoß Gottes. Wir hatten dazu plötzlich wieder
ein Recht, weil Gottes Sohn ja unser Blutsbruder geworden war. „Meine Lieben,
wir sind nun Gottes Kinder“, sagt St. Johannes. Kann es eine tiefere, reinere
Weihnachtsfreude geben als diese? Diese Freude wird aber nur dann eine dauernde
sein, wenn wir der Gnade treu entsprechen, die uns das Gotteskind in der Krippe
bringt und die uns alle zu seinen Brüdern macht. „Christ, erkenne deine Würde“,
ruft der hl. Leo in der Weihnachtspredigt aus, die in der Christmette gelesen
wird. „Da du der göttlichen Natur teilhaftig geworden bist, hüte dich, durch
schlechten Wandel zur früheren Sündhaftigkeit zurückzukehren.“ Was nützt alles
Schwärmen und Singen vom „holden Knaben im lockigen Haar“, wenn unsere
Christkindverehrung sich nicht zu dem festen, heiligen Vorsatz verdichtet: „Ich
will Frieden machen mit meinem Gott und will diesen Frieden nicht mehr durch
schwere Sünden verletzen. Ein für allemal will ich brechen mit allem, was das
Leben Gottes in mir beeinträchtigt und zerstört.“ Gott hat sich uns in der
Weihnacht ganz geschenkt. Müsste unsere selbstverständliche Antwort darauf
nicht auch eine rückhaltlose Hingabe an Gott sein? Müsste unser Weihnachtsbeten
und Weihnachtssingen nicht ausmünden in das Gelöbnis:
Mein Herz will ich dir schenken, herzliebes
Jesulein,
In deine Lieb versenken, will ich mich ganz
hinein.
Nimm hin mein Herz, gib mir das dein’ —
Lass beide
Herzen ein Herz sein!
Quelle: Alphons Maria Rathgeber, „Kirch und Leben“ – Ein
Buch von der Schönheit und Segenskraft der Kirche. Verlag Albert Pröpster,
Kempten im Allgäu, 1956.
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