Pilgerfahrt innerhalb eines Blickes


Welch Blick! Kein anderer ist so klar, so süß, so rein, so freundlich. In keinen anderen tritt man so einfach ein. Und dennoch besitzt keiner solche Tiefen, die sich in einem weit entfernten Horizont auflösen. Je tiefer man in diesen Blick hineingeht, desto stärker wird man von einem unbeschreiblichen und erhabenen inneren Gipfel angezogen.

Während dieser Pilgerschaft tut dieser Blick mehr als nur die Seele, die darin fliegt, einzuschließen. Er selbst tritt in sie ein. Und wenn der Pilger die Augen schließt, denkt er, dass er diesen Blick als ein Licht, das in seinem tiefsten Inneren leuchtet, wiedersieht.

Bleibt er diesem Flug sein ganzes Leben lang treu, wird dieses Licht, wenn er seine Augen für immer schließt, in der Tiefe seiner Seele – das ist meine Ansicht – für eine ganze Ewigkeit leuchten …

Der Blick ist die Seele eines Antlitzes. Was für ein Antlitz habe ich vor mir? Einem Dummkopf würde es ausdruckslos erscheinen. Dem aufmerksamen Beobachter jedoch zeigt es eine Seelenvollkommenheit, die größer ist als die Geschichte, weil sie die Ewigkeit berührt; die größer ist als das Universum, weil sie die Unendlichkeit widerspiegelt.

Die Stirn scheint Gedanken zu enthalten, die von einer Krippe bis hin zu einem Kreuz die ganze Geschichte der Menschheit umfassen. Das Gesicht selbst, die Nase haben einen Scharm „schöner als die Schönheit“, wie der Poet sagt. Die Lippen sind geschlossen, und doch sagen sie alles; jeden Augenblick scheinen sie Gott zu loben in jedem Geschöpf nach dem Grad der Eigenschaften, und für all ihr Elend und all ihr Unglück zu beten. Diese Lippen besitzen eine solche Beredsamkeit, dass sie die des Demosthenes oder die des Ciceros fad erscheinen lässt.

Und was ist über ihre Haut, weißer als der Schnee, zu sagen? Der Ausdruck allein sagt schon alles und doch nichts, denn, um sie zu beschreiben, müsste man sich ein Weiß vorstellen, das in seiner Tiefe mit einer unendlichen Diskretion alle Nuancen des Regenbogens wahrnehmen lässt, und zur gleichen Zeit der Seele eingibt, die sie betrachtet, den unvergleichlichen Charme der Reinheit.

Ja, ich habe eine Pilgerfahrt innerhalb dieses Blickes gemacht, der so voll von Überraschungen ist. Und plötzlich merke ich, dass er es ist, der wie ein Pilger in meiner Seele wandert … Arme und Barmherzige Pilgerfahrt, nicht von einem Glanz zum anderen Glanz, sondern von einem Mangel zum anderen, von einem Elend zum nächsten. Es genügt, dass ich mich ihm öffne, denn er bietet mir für jeden Fehler ein Heilmittel an, für jedes Hindernis eine Hilfe, für jede Betrübnis eine Hoffnung.

Aber zum Schluss, was habe ich vor mir? Eine Statue aus Holz wie viele andere, ohne jeden besonderen künstlerischen Wert. Und doch, wenn man seinen Blick auf sie heftet, beginnt diese Statue zu strahlen, ohne sich zu bewegen, ohne überhaupt eine Verwandlung zu vollbringen, beginnt sie all ihre Pracht zu entfalten.

(Aus dem Artikel Pilgerfahrt innerhalb eines Blickes von Plínio Correa de Oliveira in Folha de São Paulo, 11.11.1976)

Quelle: Fatima – Botschaft der Tragödie oder der Hoffnung? - Antonio Borelli Machado – Hrsg.:DVCK e. V. - Aktion: Deutschland braucht Mariens Hilfe – Frankfurt am Main