Rosenkranzbetrachtung
Den Du, o Jungfrau, im Tempel
wiedergefunden hast
Mehrere Schriftstellen aus
Lukas 2 sind hier simultan dargestellt. a) Man sieht, wie der Zwölfjährige mit
den Schriftgelehrten diskutiert: Jesus breitet seine Hände aus, und der rechts
neben ihm Sitzende wiederholt die Haltung seiner linken Hand, als meinte er das
Gleiche. b) Inhalt des Gespräches sind Stellen aus dem Alten Testament: Der auf
einem Podium stehende Jesus weist auf das neben ihm aufgeschlagene Alte Testament,
während zwei Schriftgelehrte die Tora aufgerollt haben und einer von beiden
auf eine Stelle im Buch Moses zeigt. c) Alle vier Gelehrten sind erstaunt über
die Antworten des Jesusknaben, wie man unschwer aus ihren Gesichtern ablesen
kann. d) Und schließlich erklärt der Jesusknabe hier seinen Eltern, dass er im
Hause seines Vaters sein muss. Während Joseph zu ihm aufblickt, als verstände
er dies nicht, faltet Maria ergeben die Hände. In ähnlicher Haltung findet man
Maria wieder unter dem Kreuz. Dies erinnert daran, dass die Begegnungen mit
ihrem Sohn im Tempel und am Kreuz zu den Sieben Schmerzen Mariens zählt.
Die Hintergrundarchitektur
zeigt, dass das Streitgespräch in einem Tempel stattfindet. Angedeutet ist hier
ein Rundtempel, ähnlich dem römischen Pantheon.
Die rechte Säule und der
Vorhang liegen im Vordergrundschatten, während man im Hintergrund durch ein Tor
in eine helle Landschaft blicken kann. Dieser Kontrast gibt dem Bild Tiefe.
Oben im Bild sieht man einen zurückgezogenen Vorhang. Er gibt den Blick des
Betrachters frei auf das theatrum sacrum im Tempel von Jerusalem. Auch der
leseunkundige Betrachter kann so ein Ereignis aus dem Leben des Jesusknaben
erfahren.
Eigenartig ist die
Beleuchtung: Das Licht fällt anscheinend durch ein Fenster links oben in den
Tempel ein, streift zwar noch den rechten Arm des Jesusknaben, stellt hingegen
sein Gesicht in den Schatten und beleuchtet bzw. verschattet die Personen
unabhängig von ihrer Bedeutung. Um trotzdem die heilige Familie hervorzuheben,
haben Jesus, Maria und Joseph einen Nimbus, einen Heiligenschein.
Kunstgeschichtlich
interessant ist der linke, im Vordergrund sitzende Schriftgelehrte. Er kommt in
mehreren Bildern Bergmüllers vor. Diese Person malte der Franzose Jean Andre
(1662 - 1753) in einem gleichthematischen Bild. Nach diesem Gemälde wurden
Kupferstiche gefertigt, so z.B. vom Kupferstecher Nicolas Henri Tardieu (1774 -
1749). Solche französischen Stiche fanden sich schon unmittelbar nach dem Druck
auf dem Augsburger Kunstmarkt. Heimische Maler erwarben sie, sie legten sich
einen sogenannten Genievorrat an und werteten sie aus, d.h. sie übernahmen
einzelne Personen, oder Gruppen, aber auch die ganze Darstellung, wenn sie ein
Bild zu malen hatten. Dies machten sie, um möglichst modern zu malen. Alois
Epple
(Artikel in DER FELS Januar 2012)
Redaktion: Eichendroffstr. 17, D-86916 Kaufering
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