Ungarns Wallfahrtszentrum Mariapocs begeht großes Festjahr

Bild: Cigir/Wikimedia
300 Jahre "Zweites Tränenwunder" - Am Bildnis der Muttergottes auf der Ikonostase der Kirche in Pocs waren am 1. August 1715 Tränen geflossen - Originalikone seit 1697 im Wiener Stephansdom


Budapest (KAP) Unter der Leitung des griechisch-katholischen Bischofs von Hajudorog, Fülöp Kocsis, begeht der in Kocsis' Diözese gelegene Gnadenort Mariapocs, das geistige Zentrum der mit Rom unierten byzantinischen Katholiken im Karpatenbecken, ein Festjahr zum 300. Jahrestag des sogenannten Tränenwunders. Zum Auftakt des Gedenkjahres wird die Marienikone ab 8. März in den verschiedenen Pfarren der Diözese zur Verehrung ausgesetzt, wie das Rektorat der Basilika von Mariapocs am Dienstag mitteilte.

Zu den besonderen Veranstaltungen im Festjahr gehören unter anderen ein Mariä Himmelfahrts-Kirtag, ein Festival der Familien, eine Roma-Wallfahrt und eine Jugendwallfahrt. Auch eine internationale ökumenische Patristik-Konferenz findet statt. Das Gedenkjahr geht am 8. November zu Ende.

Am Bildnis der Muttergottes auf der Ikonostase der Kirche in Pocs waren am 1. August 1715 Tränen geflossen. Der Chronik zufolge hatte man dies während des Morgengottesdienstes bemerkt. Das Wunder soll mehrere Stunden angedauert und sich am 2. und 5. August wiederholt haben. Mehrere Hundert Augenzeugen sollen dies gesehen haben.

Bei der in Mariapocs ausgestellten Ikone handelt es sich um eine Kopie aus dem Jahre 1698, die nach dem in Wien befindlichen Original angefertigt wurde. Sowohl das Original im Stephansdom als auch die Kopie im Ursprungsort sind als "weinende Madonnen" bekannt. Die Original-Ikone befindet sich seit dem 1. Dezember 1697 im Stephansdom.

Hintergrund des "Abtransports" nach Wien waren die Türkenkriege. Durch das erste der beiden Tränenwunder - es fand am 4. November 1696 statt - hatte das Bild die Aufmerksamkeit des Wiener Kaiserhofs und der in Ungarn lagernden Militärführung erregt. Das Tränenwunder bezeugten auch österreichische Soldaten, die nicht katholisch waren.

Als kurz darauf die Türkengefahr durch den Sieg von Prinz Eugen bei Zenta am 11. September 1697 endgültig gebannt werden konnte, wurde der Sieg prompt der entscheidenden Hilfe der Gottesmutter von Mariapocs zugeschrieben. Der örtliche österreichische Militärkommandant, Graf Giovanni Andrea Corbelli, veranlasste sogleich, auf Wunsch von Kaiserin Eleonora Magdalena, die Überführung der Ikone nach Wien. Für die Übertragung setzte sich vehement auch der Kapuziner P. Marco d'Aviano ein.

Wohl angeregt durch die Blume in der Hand des Jesuskindes, stiftete die Kaiserin einen prunkvollen Rahmen für die Ikone. Sie trägt den Namen "Rosa Mystica" und wird noch heute im Domschatz verwahrt.

In Wien ist die Original-Ikone heute am Maria Pocs-Altar (Mariapötscher Altar) im Südwesten des Langhauses ausgestellt. Sie befindet sich hier unter dem sogenannten Oexl-Baldachin. Die Übertragung des hochverehrten Gnadenbilds vom alten Hochaltar hierher erfolgte durch Kardinal Theodor Innitzer im letzten Kriegsjahr 1945.

Bereits in der Entstehungsgeschichte der Ikone spiegeln sich jedoch die dramatischen religiös-politischen Auseinandersetzungen im Ungarn des 17. Jahrhunderts. In der nordöstlichen Tiefebene gab es Spannungen zwischen Muslimen, Reformierten, Griechisch-katholischen Gläubigen und Orthodoxen. Der Auftraggeber der Ikone, Laszlo Csigri, sollte als Kind im Rahmen des osmanischen "Devsirme" (Knabenlese)-Systems nach Konstantinopel kommen, um dort als muslimischer Kämpfer erzogen zu werden, konnte aber entkommen.

20 Jahre hing die von dem örtlichen, aber in Italien ausgebildeten Maler Stefan Pap zugeschriebene Ikone wenig beachtet in der unierten Kirche von Pocs, bis sie 1696/97 Furore machen sollte.

Mariapocs ist bis heute nicht nur das geistliche Zentrum der unierten Katholiken des byzantinischen Ritus in Ungarn, sondern auch das ungarische Nationalheiligtum schlechthin. Die Kirche in der Puszta ist der bedeutendste Wallfahrtsort des Landes; viele Pilger kommen aber auch aus der Ukraine, der Slowakei und Rumänien. Denn die unierten Katholiken im heutigen Ungarn haben dieselben historischen Wurzeln wie die karpato-ukrainischen und die rumänischen Unierten.

Während in den anderen kommunistisch beherrschten Ländern die unierte Kirche schwer verfolgt und in die Katakomben getrieben wurde - insbesondere in der Ukraine -, konnte die katholische Kirche des byzantinischen Ritus in Ungarn auch in der Zeit des kommunistischen Totalitarismus öffentlich in Erscheinung treten. Die Zahl der Unierten wird in Ungarn auf 400.000 geschätzt. Es ist eine sehr lebendige Kirche mit starkem Nachwuchs an geistlichen Berufungen.