Ursünde und Erbsünde der Menschheit

Ursünde und Erbsünde der Menschheit

„Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod“ (Röm 5,12).

Das ist die lapidare Festlegung des Apostels Paulus. Sie faßt zusammen, was auf den ersten Seiten der Bibel in der Etzählung vom Fall des Menschen anschaulich berichtet wird:

Der Mensch läßt sich von der Schlange verführen. Gegen Gottes Gebot greift er nach dem Baum des Lebens und verfällt damit dem Schicksal des Todes. Bei dieser ersten Sünde geht es nicht um die Bagatelle, daß der Mensch nach einer verbotenen Frucht gegriffen und sie unerlaubterweise gegessen hätte. Auch deutet nichts auf eine sexuelle Verfehlung hin. Es geht um mehr! Es geht nicht um das sechste, sondern um das erste Gebot: Gott allein ist der Herr des Menschen und die Quelle seines Lebens. Der Mensch aber hat seine geschöpfliche Grenzen überschritten. Er hat Gott misstraut und wollte selbst nach dem Leben greifen; er wollte es gleichsam selbst in die Hand und in die Regie nehmen, und er hat damit den Tod gewählt. Die Sünde besteht also im Ungehorsam (vgl. Röm 5,19). Die Folgen der Entfremdung von Gott sind groß. Der Mensch wird nun seinem Mitmenschen entfremdet; Mann und Frau, die sich ursprünglich in Liebe gegenseitig Hilfe und Stütze sein sollten, werden sich zur Versuchung und zum Verderben. Der Mensch wird auch sich selbst entfremdet; er schämt sich, weil er nackt und bloß dasteht. Der Mensch wird dem Leben entfremdet; die Geburt des neuen Lebens geht unter Schmerzen vor sich. Er wird schließlich seiner Umwelt entfremdet; im Schweiß seines Angesichts muß er sein Brot essen (vgl. Gen 3,1-24). Die Bibel erzählt nicht nur diese eine Geschichte vom Sündenfall. Die eine Geschichte löst vielmehr die ganze Lawine der weiteren Geschichte der Sünde aus, in der die soziale Dimension der Sünde zur Geltung kommt. In der Geschichte von der Ermordung Abels durch Kain überschreitet der Mensch die Grenze zum Mitmenschen. Er gönnt dem anderen nicht die Liebe und das Wohlwollen Gottes, er wird eifersüchtig, und diese Eifersucht ist für den anderen tödlich (vgl. Gen 4). Es kommt zu dem Teufelskreis von Schuld und Rache zwischen den Menschen (vgl. Gen 4,23-24). - In der stark mystisch geprägten Erzählung von der Vermählung von Menschen mit Göttersöhnen und der daraus hervorgehenden Geburt der „Helden der Vorzeit“ kommt zum Ausdruck, daß der Mensch ganz allgemein das Maß des Menschlichen verliert; er überschreitet die Grenze zum Übermenschlichen, Heroischen, heldenhaften. Die Folge ist das Hereinbrechen des Chaos in der Sintflut (vgl. Gen 6). - In der Geschichte vom Turmbau zu Babel schließlich überschreitet der Mensch seine Grenzen auch im kulturellen Bereich. Die Folge ist ein Babel. d.h. ein Wirrsal, wo keiner keinen mehr versteht, die Völker sich auseinanderleben und oft genug gegeneinanderstehen und jeder vereinzelt und zerstreut leben muß (vgl. Gen 11). Im Neuen Testament nimmt Paulus diese Erzählung auf. Dabei setzt er den ersten Adam in Beziehung zum zweiten, neuen Adam, Jesus Christus. Quelle: Katholischer Erwachsenen Katechismus – Das Glaubensbekenntnis der Kirche – Hrsg.: von der Deutschen Bischofskonferenz – Verband der Diözesen Deutschlands, Bonn – 1985 – Seiten: Teil 130 und Teil 131.