Vollkommener Ablass zum Allerseelentag
Mit Beginn des Monats November rückt die Kirche unseren
Blick stark auf das Jenseits. Sowohl das Allerheiligenfest als auch der
Armseelentag zeigen uns die Realität der ganzen Kirche Christi, deren
streitende Glieder wir sind. Denn sie umfasst ja ebenfalls die triumphierende,
wie auch die leidende Kirche. Ja, der ganze Monat ist dem Andenken derer
gewidmet, die sich im Läuterungsort der ewigen Heimat entgegensehnen. Diese
Seelen schauen auch auf uns, da wir ihre Leidenszeit verkürzen und sie trösten
können. Die hl. Mutter Kirche hat deshalb für die Armen Seelen ihre
Schatzkammer geöffnet und die sogenannten Armseelenablässe gewährt.
Um diese Praxis der Kirche zu verstehen, müssen wir
wissen, dass die Sünde eine doppelte Folge hat. Die schwere Sünde beraubt uns
der Gemeinschaft mit Gott und macht uns dadurch zum ewigen Leben unfähig. Diese
Beraubung heißt “die ewige Sündenstrafe”. Andererseits zieht jede Sünde, selbst
eine geringfügige, eine schädliche Bindung an die Geschöpfe nach sich, was der
Läuterung bedarf, sei es hier auf Erden, sei es nach dem Tod im sogenannten
Purgatorium/Fegfeuer [Läuterungszustand]. Diese Läuterung befreit von dem, was
man “zeitliche Sündenstrafe” nennt.
Diese beiden Strafen dürfen nicht als eine Art Rache
verstanden werden, die Gott von außen her ausüben würde, sondern als etwas, das
sich aus der Natur der Sünde ergibt. Eine Bekehrung, die aus glühender Liebe
hervorgeht, kann zur völligen Läuterung des Sünders führen, sodass keine
Sündenstrafe mehr zu verbüßen bleibt (Konzil v. Trient).
Die Sündenvergebung in der hl. Beichte und die
resultierende Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott bringen den Erlass
der ewigen Sündenstrafen mit sich. Zeitliche Sündenstrafen verbleiben jedoch.
Der Christ soll sich bemühen, diese zeitlichen Sündenstrafen als eine Gnade
anzunehmen, indem er Leiden und Prüfungen jeder Art geduldig erträgt und, wenn
die Stunde da ist, den Tod ergeben auf sich nimmt. Auch soll er bestrebt sein,
durch Werke der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe sowie durch Gebet und
verschiedene Bußübungen den “alten Menschen” gänzlich abzulegen und den “neuen
Menschen” anzuziehen (Vgl. Eph 4,24). Die Kirche gewährt nun an und um
Allerseelen einen besonderen vollkommenen Ablass.
Anlässlich des Festes Allerseelen am 2. November möchte
ich Sie auf eine besondere Gewährung der Kirche aufmerksam machen. Sie läuft
unter dem lateinischen Namen “Visitatio ecclesiae vel oratorii in
Commemoratione omnium fidelium defunctorum”, zu Deutsch: “Besuch einer Kirche
oder Kapelle am Allerseelentag”.
Worum geht es dabei? Ich zitiere dazu aus dem Handbuch
der Ablässe (Enchiridion indulgentiarum), das in deutscher Übersetzung vom
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz herausgegeben wurde: “Ein
vollkommener Ablass, der jedoch nur den läuterungsbedürftigen Seelen zugewendet
werden kann, wird denjenigen Christgläubigen gewährt, die am Allerseelentag
eine Kirche oder eine Kapelle mit frommer Gesinnung besuchen.“ Vom 1. bis zum
8. November kann täglich einmal ein vollkommener Ablass für die Verstorbenen
gewonnen werden. Neben den üblichen Voraussetzungen (das sind: eine Beichte,
wobei eine zur Gewinnung mehrerer vollkommener Ablässe genügt; entschlossene
Abkehr von jeder Sünde; Kommunionempfang und Gebet in der Meinung des Heiligen
Vaters - diese Erfordernisse können mehrere Tage vor oder nach der Verrichtung
des jeweiligen Ablasswerkes erfüllt werden) sind vonnöten.
Ganz konkret:
Am Allerseelentag (einschließlich 1. November ab 12 Uhr):
Besuch einer Kirche oder öffentlichen Kapelle, mit Gebet des Vaterunser und des
Glaubensbekenntnisses; oder vom 1. bis zum 8. November: Friedhofsbesuch und
Gebet für die Verstorbenen.
Fehlt die volle Disposition oder bleibt eine der
Bedingungen unerfüllt, ist es ein Teilablass für die Verstorbenen. Ein solcher
kann an diesen und auch an den übrigen Tagen des Jahres durch Friedhofsbesuch
wiederholt gewonnen werden.
Quelle: aus dem Rundbrief der Priesterbruderschaft St. Petrus im Saarland, November 2015, P. André Hahn FSSP, Rektor des Kasinianum, Saarlouis, Stiftstr. 18, 66740 SLS
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