Von Gernach nach Walldürn und zurück? Ein Wallfahrtsbild aus Unterfranken gibt Rätsel auf!



Blutwunder-Korporale von Walldürn, im UV- Lichte besehen

Dezember 2015: Bei Aufräumarbeiten auf dem Dachboden der St.-Aegidiuskirche im unterfränkischen Gernach, einem kleinen Ort in der fruchtbaren Maintalebene unweit von Schweinfurt, kam ein altes, arg verstaubtes Prozessionsbild mit einer Mater Dolorosa zum Vorschein. Die Darstellung von sieben Schwertern, die in der verdeckten Brust Mariens klaffen und ihren großen Schmerz über den verstorbenen Menschensohn symbolisieren, den sie zärtlich in den Armen hält, ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch als Priester und Küster von St. Aegidius die Rückseite des Bildes genauer in Augenschein nahmen, muss es ihnen so wie Maria bei der Darstellung des Herrn im Tempel ergangen sein, als Simeon ihr weissagte: "Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen." (Lk 2, 35)
Was sie sahen, war eine Darstellung des Blutwunders von Walldürn. Wie gelang solch ein Bild nach Gernach, das über 100 km vom nordbadischen Walldürn entfernt liegt? Fanden früher Wallfahrten von Gernach nach Walldürn statt? Das teils übermalte Bild ist in schlechtem Zustand, aber dennoch eindeutig thematisch zu identifizieren.
Gernacher Prozessionsbild, mit Vorhang übermalt
Als 1330 der Priester Heinrich Otto in der Walldürner Georgiuskirche die heilige Messe zelebrierte, warf er nach der Wandlung des Allerheiligsten versehentlich den Kelch um, wie der örtliche Pfarrchronist Hoffius berichtet, so dass sich dessen Inhalt ungehindert über das Korporaletüchlein ausbreiten konnte. "Es war also weder Wein noch Brot mehr auf dem Altar, sondern der wahre Leib und das kostbare Blut Jesu Christi. Gerade diese Wahrheit wollte Gott an jenem Tage durch ein außerordentliches Wunder bestätigen (...) Doch sein Schrecken wuchs zum Entsetzen, als er sah, dass auf dem Korporale nicht Weinflecken, sondern blutige Flecken entstanden und inmitten dieser Blutflecken sich das Kreuzbild des Herrn, umgeben von elf dornengekrönten Häuptern zeigte (...) Nach kurzer Zeit erkrankte nämlich jener Priester, der Augenzeuge des Blutwunders gewesen war und verlor seine Seelenruhe. Tag und Nacht musste er an die blutigen Eindrücke des Hauptes Christi auf dem versteckten Korporale denken. Gewissensbisse plagten ihn, das Wunder nicht zu verheimlichen, sondern zu Ehren des anbetungswürdigen Blutes Christi zu offenbaren. Je größer seine Schmerzen wurden und je näher er sich dem Tode fühlte, umso mehr steigerten sich seine Gewissensbisse.
Er ließ daher seinen Beichtvater kommen und bekannte ihm alles, was sich mit dem konsekrierten, verschütteten Blute Christi zugetragen hatte. Er bat reumütig, man möge nach seinem Tode das blutbefleckte Korporale aus dem Versteck hervorholen und öffentlich zur Verehrung ausstellen, damit durch dessen Anblick gestärkt, die Gläubigen inniger an die Erneuerung des Leidens Christi im hl. Messopfer denken und voll Andacht das konsekrierte Blut unseres Erlösers anbeten.
Nachdem der Priester dies angeordnet hatte, fühlte er sich beruhigt und starb im Frieden Gottes."

Es trug nach Bekanntwerden dazu bei, dass der Glaube unzähliger Pilger an das hochheiligste Altarsakrament über Jahrhunderte hinweg immer wieder aufs Neue bestärkt wurde. Und, wer weiß, ob mit dem wundersamen Auftauchen des Prozessionsbildes in Gernach nicht auch über neue Formen des Pilgerns zum Walldürner Bluttuch nachgedacht wird. Der aufgewirbelte Staub der Geschichte lässt uns neu sehen!