Wahres Heldentum
Aber jener würde schwer irren, der glauben wollte, Größe
der Seele und Heldentum seien Tugenden, die, wie seltene Blumen, den blutigen
Gefilden in Zeiten des Krieges, der Katastrophen, grausamer Verfolgungen und
sozialer und politischer Umwälzungen vorbehalten seien. Neben diesen
offenkundigen und sichtbaren Beweisen von Heldentum, neben dieser strahlenden
Großherzigkeit und Kühnheit, sprießen und wachsen in entlegenen Tälern und
Landstrichen, in den Straßen und im Schatten der Städte, vom tristen Gang des
Alltagslebens verschleiert, viele nicht weniger heldenhafte Taten, die lautlos
aus nicht weniger großen und starken Seelen hervorgehen, in geheimem Wettbewerb
mit den schönsten Taten, die sich der allgemeinen Bewunderung erfreuen.
Ist nicht der Geschäftsmann, der Leiter eines großen
Industriewerkes, heldenhaft, der, wenn er sich in Bedrängnis und durch
unvorhergesehene widrige Zufälle dem Ruin nahe sieht - obwohl der sichere Weg
zur Rettung eines jener Mittel wäre, die die leichtfertige Welt entschuldigt
und verzeiht, falls sie zum Erfolg führen, die aber die christliche Moral nicht
billigen kann -, in sich geht, sein Gewissen befragt und dessen Urteil nicht
übergeht, sondern als gläubiger Christ ein Hilfsmittel verschmäht, das gegen die
Gerechtigkeit verstößt, und Ruin und Elend einer Beleidigung Gottes und des
Nächsten vorzieht?
Ist nicht die arme junge Frau heldenhaft, die Mühe hat,
der alten Mutter und den verwaisten Brüdern von dem kargen Lohn, den sie
empfängt, ein Stück Brot zu geben, aber jede leichtfertige Nachgiebigkeit
verschmäht, ihr Herz und ihre Ehre starkmütig bewahrt und ohne jede Furcht die
Gunst eines unmoralischen Arbeitgebers zurückweist, voll Verachtung für reichen
und übel erworbenen Verdienst, der sie doch aller Not entreißen würde?
Ist nicht das junge Mädchen heldenhaft, Märtyrerin ihrer
Reinheit, die Gott die Lilie ihrer jungfräulichen Tugend, purpurn gefärbt vom
eigenen Blute, darbringt?
Dieses Heldentum der Rechtlichkeit, dieses Heldentum der
christlichen Frauenwürde, dieses Heldentum, der Engel würdig, dieses verborgene
Heldentum ist es, das sich paart mit dem Heldentum des Glaubens, des
Gottvertrauens, der Geduld, der Barmherzigkeit in Hospitälern und Lazaretten,
auf den Wegen der Herolde Christi, in den Ländern der Ungläubigen, wo immer die
Seelenstärke sich mit der Liebe zu Gott und dem Nächsten verbindet.
So ist es nicht überraschend, daß sich auch zwischen den
vier Wänden des Heims das Heldentum der Familie verbirgt und daß auch das Leben
der christlichen Eheleute sein geheimes Heldentum hat; ein außerordentliches
Heldentum in tragischen, der Welt oft unbekannten Lagen; ein alltägliches
Heldentum, eine Folge stündlich erneuerter Opfer, ein Heldentum des Vaters, ein
Heldentum der Mutter, ein Heldentum beider zusammen.
Aus der Ansprache Pius XII. an Neuvermählte, 13 August
1941 in „Der Papst sagt“ – Lehren Pius XII., nach den Vatikanischen Archiven
herausgegeben von Michael Chinigo, Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am
Main, 1955.
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