Zwei Menschen in dir
Manchmal ist es, als ob zwei Menschen in dir wohnen würden.
Der eine, der alles gut macht und den du der Außenwelt zeigst, und der andere,
für den du dich schämst. Es gibt so etwas wie einen tiefen Bruch in jeden
Menschen. Ich begegne Menschen, die trotz des besten Willens der Welt doch
immer wieder zurückfallen in ihr altes Übel. Menschen, die gut leben möchten
und doch Dinge tun, die sie selbst nicht begreifen.
Warum ist das so? Weil ein Mensch kein Gott ist, kein Engel
und kein Superwesen, sondern ein kleiner Pilger auf dem langen Weg. Und doch
ist der Mensch ein wunderbares Wesen. Die Erfahrung der eigenen Schwäche macht
ihn verständnisvoll für seine Mitmenschen.
Wer sein Versagen niemals erkennen will, wird selbstgerecht
und hart wie ein Stein. Sein Herz vertrocknet und wird unfähig, andere zu
trösten und aufzurichten, zu verstehen und zu verzeihen.
Über Schwächen und Fehler bei dir selbst brauchst du dich
nicht zu wundern. Aber du darfst sie nicht vertuschen und zu Tugenden
verdrehen. Du musst damit leben lernen. Du weißt doch: Niemand ist so gut wie
in seinen besten Augenblicken, aber auch niemand ist so schlecht wie in seinen
schlechtesten Augenblicken. Freundschaft und Liebe blühen, wo Menschen sanft
geworden sind, sanft in ihrem Urteil, sanft in ihren Worten und sanft in ihrem
Umgang miteinander.
Phil Bosmans –
Zwischen Gewalt und Gnade – Katholisches Hausbuch 1992 – St. Benno Verlag,
Leipzig
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